Rezension zu »Be my Shelter« von Lana Rotaru
Die Mittzwanzigerin Kaira denkt an alle, außer an sich selbst. Mit ihrem Studium, zwei fordernden Nebenjobs, um ihre kleine, aber feine Wohnung bezahlen zu können, und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Tierheim hat sie schon mehr als genug um die Ohren. Zudem nimmt ihre große Familie jede Menge Zeit und Nerven in Anspruch, insbesondere ihre übergriffige Mutter. Achja, und Freundinnen hat sie ja auch noch, mit denen sie gerne Zeit verbringen würde. Auch wenn Kaira das nicht wahrhaben kann und will, und fest davon überzeugt ist, das Leben zu leben, das sie führen will und dank ihres Organisationstalents alles unter einen Hut zu bringen, brennt sie unter all dem Druck von allen Seiten doch zunehmend aus. Denn sie opfert dafür nicht zuletzt Zeit für sich selbst, zum Nichtstun, Durchatmen, Essen oder Schlaf, um für alle da zu sein und es allen recht zu machen. »Nein« ist ein Wort, das quasi nicht zu Kairas Wortschatz gehört. So wundert es nicht, als sie trotz ihres straffen Zeitplans und ihres beengten Wohnraums der Bitte ihres großen Bruders nachkommt, dessen Freund aus Studienzeiten für ein paar Tage bei sich aufzunehmen. Für ein paar Tage wird es schon gehen und ihr Bruder ist mit seinem Job im Krankenhaus und den beiden neugeborenen Zwillingen zuhause schließlich ebenfalls mehr als ausgelastet. Doch Cooper steht früher als erwartet vor Kairas Tür und hat vor, bis zum Ende des Jahres, also drei Monate zu bleiben anstatt weniger Tage. Wenig überraschend sagt Kaira nichts dazu, obwohl sie mit der Situation alles andere als zufrieden ist. Cooper ist das Gegenteil von Kaira: förmlich allergisch auf Verpflichtungen lebt er in den Tag hinein, reist von Ort zu Ort und hält sich mit Gelegenheitsjobs und Couch-Surfing über Wasser. Durch die räumliche Nähe lernen sich Kaira und Cooper schnell kennen und obwohl beide wissen, dass es aus verschiedenen Gründen unklug ist, fühlen sie sich voneinander angezogen. Mit jedem Tag nimmt die Spannung zwischen ihnen zu. Aus einer emotionsgeladenen Diskussion heraus, lassen sich beide auf eine Challenge ein, die Kaira mehr Ruhe und Cooper mehr Routine ins Leben bringen soll. Diese Challenge verdichtet nicht nur die Reibungen zwischen den beiden, sondern zeigt mit der Zeit auch auf, dass sich hinter Coopers Bindungs- und Verpflichtungsabneigung mehr verbirgt als es auf den ersten Blick scheinen mag, und auch hinter Kairas Pflichtgefühl, das sie nicht ohne Grund bis an den Rand der Erschöpfung treibt, steckt mehr als reines People-Pleasing.
Jetzt ist New Adult ja bekanntlich kein Genre, in dem ich literarisch viel unterwegs bin. Aber die Gangart des Verlags, die Titel durch Psycholog*innen hinsichtlich mentaler Gesundheit prüfen zu lassen, hat mich so neugierig gemacht, dass ich nicht widerstehen konnte. Und ich bin echt froh darüber! Denn »Be my Shelter« hat beim Lesen wirklich Spaß gemacht, nicht zuletzt durch die wechselnden Perspektiven von Kaira und Cooper, was ich ja gerne mag, weil es für Abwechslung sorgt und der Geschichte oft mehr Facetten verleiht. Kaira war eine liebe, sympathische, etwas verlorene Protagonistin, die ich ab und an gerne in den Arm genommen hätte (oder auch geschüttelt, um endlich mal ein »Nein« aus ihr rauszukriegen). Cooper – natürlich gutaussehend, mysteriös – wiederum ist trotz optischem Klischee des Genres ein Love Interest, der zwar sein Päckchen zu tragen hat, mich aber durch seine Good-Guy-Attitude von sich überzeugt hat. Keine toxischen oder problematischen Momente, sondern ein hilfsbereiter, lieber junger Mann, dem das psychische Wohlergehen von Kaira aufrichtig am Herzen liegt. Das war schön. Und auch diese Challenge, die beide fordert, und die beide dazu bringt, sich für ein gesünderes Leben zu entscheiden, hat mir gut gefallen, weil es dadurch nicht diese starken »Er rettet sie«-Vibes hatte, die mich immer stören, sondern es eine gemeinschaftliche Persönlichkeitsentwicklung zur Folge hatte. So hat auch die Vergangenheitsbewältigung der beiden und eine aufrichtige Aufarbeitung von psychologischen Problemen den Vorrang vor dem Happy End, das – keine große Überraschung, wir sind ja schließlich noch im Romance-Genre – natürlich am Ende auf die Leser*innen wartet. Das ging mir dann vielleicht etwas zu schnell, nachdem die eigentliche Problematik über den Großteil des Buches langsam und feinfühlig aufgebaut wurde. Der S*x wurde bis auf eine Stelle im Buch hauptsächlich durch die sich langsam und intensiv aufbauende Anziehung zwischen den beiden dargestellt, was mir gut gefallen hat und auch sehr authentisch wirkte. Wenn ich einen Kritikpunkt äußern müsste, dann wäre das wohl die Darstellung von Kairas Mutter: übergriffig, herrschsüchtig und oberflächlich versucht sie über den Großteil des Romans hinweg, Kaira ein absolut ungesundes, problematisches und überholtes Weiblichkeitsideal aufzuzwingen. Dass es sich hierbei um eine bewusste Stilisierung eines toxischen Frauenbilds handelt (à la »Wenn du dich so anziehst, musst du dich nicht wundern, dass du keinen Freund findest.«, »Du stellst zu hohe Ansprüche an Männer, sei dankbar, wenn sich einer für dich interessiert.« oder »Denk dran, bei einem Date nur ein Glas Wein zu trinken, Männer mögen keine Frauen, die zu viel trinken, aber du solltest schon zeigen, dass du Spaß sein kannst.«) wird zwar für mich deutlich, ich weiß aber nicht, ob das eine jüngere Zielgruppe auch als die überspitzte und ungesunde Weltsicht erkennt, die es ist. Hier hätte ich mir eine etwas klarere Positionierung gegen die Ideale von Kairas Mutter gewünscht.
Davon abgesehen habe ich »Be my Shelter« als leichte, feine Lektüre für Zwischendurch empfunden, die trotzdem ernste Themen aufgreift und so tief auf sie eingeht, dass es sich beim und nach dem Lesen gut anfühlt. Eine Empfehlung für all jene, die Lust auf eine schöne, prickelnde (und gesunde!) Lovestory haben, die gut unterhält, Spaß macht und trotzdem mehr bietet als nur Romance.
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