Rezension zu »Super einsam« von Anton Weil

»Tausend Fragen in meinem viel zu engen Kopf.«

Vito treibt durch sein Leben, ein wenig so, als wäre er Zuschauer, Zaungast, und nicht Akteur. Die Dinge passieren ihm, streifen vorbei. Seine Freundin ist weg, auch wenn er sie festhält in der Erinnerung. Aber Vito hält vieles fest in der Erinnerung. Die Sommer am Französischen Meer, vielleicht die beste Zeit seines Lebens. Die Mutter, die er mit 17 an den Krebs verloren hat – ein Verlust, unüberwunden, schmerzhaft, da. Die ihm nur einen Koffer hinterlassen hat, den er mit 25 öffnen darf. Doch was, wenn der Inhalt nicht den Erwartungen verspricht? Wenn er keine großen Antworten bereithält, keine Erlösung, keinen Abschied? Der Vater, zwar körperlich anwesend und auf eine Art bestimmt sein Bestes versuchend, aber eben auch emotional distanziert und irgendwie nicht ganz greifbar. Seine Wohnung in Kreuzberg fühlt sich kalt an und leer und wie ein Leben, das nicht das ist, was hätte sein können und sollen. Vito will raus und hängt doch in seinem Innern fest. Während er den Schein nach außen wahrt und versucht in seinem Job als Sprecher und Schauspieler zu funktionieren, bröckelt die Fassade mit jedem Tag ein klein wenig mehr und offenbart ein brachliegendes seelisches Innenleben zwischen Einsamkeit, Trauer, Liebe, Sexualität, Sinnsuche und anderen großen Fragen des Lebens. Währenddessen reist er zwischen Berlin und Leipzig und Wittenberg. Begegnet Menschen, knüpft fragile Momentbeziehungen, betrinkt sich, begeht Ladendiebstahl, küsst einen Fremden, fragt sich, was aus Mia mit den unfassbar blauen Augen geworden ist, geht verloren und findet sich.

»Jede Beziehung ist auch Kompromiss, soll sich aber bitte nicht zu anfühlen.«

»Super einsam« überrascht durch eine Unmittelbarkeit der Emotionen, der Einsamkeit und des sich verloren Fühlens, an der uns der Autor durch seinen Schreibstil teilhaben und mitfühlen lässt. Durch Gedankensprünge, Zeitsprünge, Gefühle, Erinnertes, Vergessenes, vielleicht Mögliches, der Fantasie Entsprungenes. Passagen der Euphorie und der Möglichkeiten, Passagen der Depression und Sinnlosigkeit. Eine Unzuverlässigkeit des Erzählens par excellence, die mich manchmal richtig in ihren Bann gezogen hat, und wann anders wieder so gar nicht. Es sind daher ambivalente Gefühle, mit denen ich auf »Super einsam« blicke. Ambivalent, weil ich vielleicht nicht alles verstanden habe, das es zu entdecken gegeben hätte. Ambivalent, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich diese Art des Erzählens und Schreibens, dieses nicht-lineare, direkte, auf gewisse Art und Weise essayhafte und formlose Treibenlassen der Gedanken am Ende mochte oder nicht. Früh beim Lesen des Romans habe ich gemerkt, dass dieser Stil nicht meins ist, nichts Gewohntes ist, dass ich da nicht richtig reinkomme, dass mir was fehlt, das sich nicht ganz greifen lässt. Aber es war auch dieses Nichtgreifenkönnen, das mich dann doch wieder für sich eingenommen hat, war das doch genau das Gefühl, das Vito – und damit mich – durch den Roman getragen hat. Stilistisch interessant, was anderes, teilweise sehr nachfühlbar in der Erzählung, teilweise Welten von mir entfernt. Typsache vermutlich. Eine emotionale Achterbahnfahrt war »Super einsam« allemal, und bleibt mir, ganz Vitos Gedanken folgend, etwas verschwommen und lose im Kopf, wie ein Faden, den ich aufgenommen und dann doch wieder verloren habe. Während ich diese Rezension schreibe, merke ich, dass auch ich etwas verloren gehe. Was hängen blieb: Diese emotionale Distanz zum Vater, die er nur so weit aufbrechen kann, wie sein Vater bereit ist, sich zu öffnen. Dieser innere Zwiespalt, bezogen auf die Akzeptanz der Sexualität. Dieses nicht so genau wissen, wohin mit dem eigenen Leben. Dieser innewohnende Schmerz, der Seiten zerreißt. Gleichzeitig aber auch: zu viel Lost Boy, vielleicht ist mein Blick aber auch ein zu weiblicher, fehlt mir da die Distanz. Eine spannende Frage, die mir dieses Büchlein da mit auf dem Weg gegeben hat. Eine Kunst, das in der Fülle so zu schaffen, und eine Empfehlung für alle, die Lust haben auf dieses Erlebnis, wenn es doch auch nicht so ganz das war, das ich mir erhofft hatte. Für mich weniger Generationsroman der Millennials und mehr das sehr subjektive Erleben eines Einzelnen, jedoch mit dem Potenzial, Projektionsflächen zu schaffen.




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Daten zum Buch
Titel: Super einsam
Autor*in: Anton Weil
Sprache: Deutsch
Verlag: Kein & Aber
Hardcover | 240 Seiten| ISBN: 978-3-0369-5042-6

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