Rezension zu »Ehemänner« von Holly Gramazio
»Man kann nicht ewig mit jemandem verheiratet bleiben, nur weil er eines Nachmittags aus dem Dachboden geklettert ist.«
Wenn Lauren eines weiß, dann, dass sie nicht verheiratet ist. Aktuell ist sie ja noch nicht mal in einer Beziehung. Und trotzdem ist da, als sie von einem trinkreichen Abend mit ihren Freundinnen nach Hause kommt, ein fremder Mann in ihrer Wohnung, der der Meinung ist, ihr Ehemann zu sein. Die plötzlich leicht veränderte Wohnung, das Hochzeitsfoto an der Wand, der Ring an ihrem Finger, das neue Hintergrundbild auf ihrem Handy und der geraume Zeit zurückreichende Chat sprechen für seine Theorie. Ist das ein Traum, ist sie betrunkener als gedacht? Auch am nächsten Morgen ist er noch da, die Dinge unverändert. Als ihr Ehemann in den Dachboden geht und ein anderer Mann herunter kommt – begleitet von erneuten Veränderungen ihrer Wohnung – beginnt sie, an ihrem Verstand zu zweifeln. Doch nach mehreren Täuschen, kann Lauren sich der Wahrheit nicht mehr verweigern: Ihr Dachboden scheint plötzlich magisch zu sein und zaubert statt Kaninchen einen schier endlosen Vorrat an Ehemännern aus dem Hut – äh, Dach. Weil sie eh nichts daran ändern kann, lässt sich Lauren darauf ein. Manche behält sie ein, zwei Tage, manche gehen bevor sie bereit dazu ist, sie gehen zu lassen, manche schickt sie direkt zurück, manche sind schwer wieder loszuwerden und manche bleiben eine Weile. Mit der Zeit merkt Lauren, dass sich nicht nur die Ehemänner verändern, sondern mit ihnen auch ihre Lebensumstände: ihre Wohnung, ihre Arbeit, ihr Kontostand, ihr Aussehen, die Beziehung zu ihren Freund*innen und Familie. Ein schier endloser Vorrat an Ehemännern, die sich nach Bedarf austauschen lassen – gar nicht so schlecht, oder?
»Ehemänner« ist das wohl lustigste, unterhaltsamste Buch, das ich seit langem gelesen habe. Selten musste ich beim Lesen so viel lachen und schmunzeln. Weil dieses Konzept, das Gramazio da erschaffen hat, einfach so wunderbar funktioniert. »Ehemänner« ist ein grandioser Spiegel des modernen und schnelllebigen (Online-)Datinglebens: Es wartet schließlich immer der/die nächste. Was, wenn der/die nächste besser, attraktiver, freundlicher wäre. Was, wenn der/die nächste besser zu dir und dem eigenen Leben passen würde. Fragen, die sich auch Lauren stellt, wenn sie Ehemann um Ehemann zurückschickt in den Dachboden, oft nur wegen Oberflächlichkeiten des ersten Eindrucks oder einer für sie unangenehmen Eigenschaft. Umso schlimmer, wenn sie einen wirklich lieb gewinnt und er dummerweise was aus dem Dachboden holen will und stattdessen ein anderer nach unten kommt. Denn der Nachschub hört einfach nicht auf. Nach Hunderten an Ehemännern und immer noch keinem Ende in Sicht, fängt Lauren an, sich zu fragen, was sie eigentlich vom Leben will. Und ob es vielleicht nicht nur darum geht, dass der Ehemann perfekt zu ihr passt und ihren Ansprüchen und Vorstellungen entspricht, sondern sie sich auch auf ihn einlassen muss, bereit sein muss für Kompromisse. Dies ist die Kernaussage des Romans: Dass Beziehungen auch mal Arbeit erfordern, beiderseitige Hingabe und den ein oder anderen Kompromiss. Dass man nicht gleich alles wegwirft, nur weil eine Sache mal nicht passt. Dass Gefühle Zeit brauchen und Menschen so viel mehr sind als austauschbare Objekte. Eine wunderbare Message, die auf so wunderbar leichte, abgedrehte, humorvolle und spezielle Art und Weise erzählt wird, dass ich beim Lesen einfach nur eins empfunden habe: richtig großen Spaß!
..................................................................
Kommentare
Kommentar veröffentlichen