Rezension zu »Only Margo« von Rufi Thorpe
Es ist die klassische Geschichte: Junge, planlose Studentin gerät in eine Affäre mit ihrem mittelalten, verheirateten Collegeprofessor, der eigentlich überhaupt nicht attraktiv ist, aber eben was in ihr sieht. Studentin wird unerwartet schwanger und alles gerät ins Wanken. So weit nichts Neues. Genau das ist es, was der 20-jährigen Margo passiert. Obwohl ihr alle – der Kindsvater, Margos Mutter, ihre Freundinnen – davon abraten, entschließt sich Margo dazu, das Kind zu bekommen. Nicht ahnend, wie verdammt alleine sie nach der Geburt sein wird, denn – keine Überraschung – der Collegeprofessor möchte in keiner Weise mit dem Kind zu tun haben und auch ihre Mutter ist ihr keine Hilfe, weigert sich, als Babysitterin einzuspringen oder irgendwas für Margo zu tun, dabei war sie doch mit Margo damals selbst in dieser Lage. Margo kämpft, versucht ihr Bestes, verliert wegen der Betreuungssituation ihren Job als Kellnerin, zwei Drittel ihrer Mitbewohnerinnen ziehen wegen des ständigen Babygeschreis aus und lassen Margo mit dem Großteil der Miete allein. Margo braucht Geld. Dringend. Doch kein Job scheint der richtige, zu Margo zu passen oder mit der Pflege eines Neugeborenen vereinbar zu sein. Erste Hilfe kommt von unerwarteter Seite: Ihr Vater und Ex-Wrestlingprofi Jinx, mit dem sie kaum je Kontakt hatte, waren sie und ihre Mutter doch die andere Familie, während er bereits Frau und Kinder hatte, steht vor der Tür und bietet an, ihr Mitbewohner zu werden. Gerade frisch aus dem Entzug heraus, braucht er ein stabiles Zuhause und eine Aufgabe. Was käme da besser gelegen als ein Baby, um das man sich kümmern könnte? Unfreiwillig bringt Jinx sie auch auf eine Idee, schnell an Geld zu kommen: Margo wird auf OnlyFans aufmerksam und ist fasziniert von dieser Onlinewelt, in der Frauen durch ihre Körper Geld verdienen. Home-Office, guter Verdienst, was könnte besser zu Margos Situation passen? Nur dass das Geld erstmal verdient werden und Stammkundschaft aufgebaut werden muss. Margo probiert aus, experimentiert, scheitert, zweifelt und triumphiert: Gemeinsam mit Jinx und ihrer Cosplay-begeisterten Mitbewohnerin Suzie entwickeln sich Margo und ihr OnlyFans-Account mit der Zeit zu einem echten Onlinephänomen. Während der stetige Geldstrom Margos dringendste Probleme löst, tritt ihre Onlinepräsenz als bekannte Sexarbeiterin ganz neue Probleme los.
Wie gehen alleinerziehende Mutterschaft, OnlyFans und Profi-Wrestling zusammen? Eigentlich gar nicht, könnte man denken. Aber »Only Margo« belehrt uns eines Besseren! Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was ich sagen soll, außer: Lest das! Das ist Popkultur vom feinsten. Ich hab mich selten so wunderbar unterhalten gefühlt und dabei so viel beim Lesen erzählt bekommen. Dieses Buch ist so vielschichtig wie vordergründig amüsant. Es verbergen sich Facetten in dieser Geschichte, die im Gesamten einfach nur ein richtig richtig gutes Buch ergeben. Denn es geht um so viel mehr als um OnlyFans – nicht, dass die Erfahrungen mit der Plattform aus Margos Sicht nicht für sich allein stehend schon interessant und aufschlussreich gewesen wären. Aber »Only Margo« hat noch so viel mehr zu bieten: Es ist ein feministisches Buch, das sich auf faszinierend leichte und unaufdringliche Weise mit Misogynie auseinandersetzt und weibliches Erleben im Allgemeinen, das Erleben von Mutterschaft sowie die Erfahrungen als Sexarbeiterin im Besonderen auseinandernimmt. Wie Thorpe das macht, ist grandios. Gleichzeitig ist dies ein Buch über Beziehungen, familiäre, freundschaftliche, romantische, sexuelle, solche im Arbeitskontext. Hier spielt der Roman ganz hervorragend mit Rollenklischees, wenn nämlich Margos sehr feminin gezeichnete Mutter sich schlicht weigert, ihrer Tochter in irgendeiner Art und Weise zu helfen, erst recht mit Blick auf die Care-Arbeit oder ihre eigene Rolle als Mutter, während Margos Vater – Profi-Wrestler, maskulin, stark – einspringt, als Koch, als Putzkraft, als Babysitter, als Elternteil. Auf einer anderen Ebene finden wir eine weitreichende Gesellschaftskritik mit Hinblick darauf, wie die Gesellschaft mit alleinerziehenden Müttern umgeht, mit jungen Müttern umgeht, mit Sexarbeit umgeht, mit Suchtproblemen umgeht. Und zwischen all dem begleiten wir einfach nur Margo dabei, wie sie versucht, die bestmögliche Mutter für Bodie zu sein, den sie mehr liebt als alles andere. Wie sie versucht, den Spagat zwischen verantwortungsvoller Mutter und junger Frau zu meistern, wie sie Tochter ist und Freundin und Frau, wie sie sich traut, zu sich selbst zu stehen und das zu machen, was ihr Freude bereitet. Einfach ein richtig gutes, spaßmachendes und tiefgründiges Buch über die Absurdität des Lebens.
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