Rezension zu »Von hier aus weiter« von Susann Pásztor
Nach dreißig gemeinsamen Jahren mit Rolf ist die pensionierte Grundschullehrerin Marlene nun Witwe. Ein Zustand, mit dem sie überhaupt nicht klar kommt. Da helfen auch Rolfs drei Söhne, deren Ehefrauen und unzählige Enkelkinder nicht, zu denen Marlene nie so wirklich eine Beziehung aufgebaut hat. Notgedrungen schleppt sie sich durch Beerdigung und Alltag – der schier endlose Vorrat an Schmerz- und Beruhigungsmitteln, den Rolf wegen seiner Krankheit hinterlassen hat, ihr treuester Freund und Begleiter. Einziger Hoffnungsschimmer: ihr baldiges Ableben. Denn Marlene ist fertig mit dem Leben, ein für allemal. Nur darüber, wie dieses Ableben genau ablaufen soll, ist sie sich noch im Unklaren. Pillen schlucken? Sich erhängen? Doch dem inneren Wunsch nachgeben und mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum rasen? Optionen gibt es viele und die Entscheidung kann ja auch bis morgen warten. Außerdem kommt ihr immer wieder Ida in die Quere, Rolfs Ärztin, die sich Sorgen um Marlene macht und regelmäßig vor der Haustür steht. Dann kommt plötzlich kein Wasser mehr aus dem Duschhahn und ungeduscht aus dem Leben zu scheiden ist nicht das Ende, das sich Marlene wünscht. Also ruft sie einen Klempner, der auch prompt erscheint und kein Unbekannter ist: Jack war einst ihr Schüler, und Marlene wichtiger für seine Entwicklung, als sie ahnen kann. Als er sie nach der Reparatur fragt, ob er bei ihr duschen könne, findet Marlene heraus, dass Jack gerade in seinem Auto lebt – aus einem Impuls heraus, bietet sie ihm ihr Gästezimmer an. Von da an kommt Schwung in ihr Leben, denn Jack ist nicht nur ein begnadeter Koch, sondern auch ein feinfühliger Zuhörer für die leisen Töne. Doch den Grund, warum Marlene viel mehr wütend ist als traurig über Rolfs Tod, den möchte sie ihm nicht verraten. Als sich ihre ehemalige Freundin Wally mit der Info meldet, dass Rolf bei ihr in Wien einen Brief für Marlene deponiert habe mit der ausdrücklichen Anweisung, sie möge ihn persönlich abholen, beginnt für Marlene ein Roadtrip voller unerwarteter Wendungen.
»Von hier aus weiter« war mal wieder so ein Buch, das mich ganz sanft und leise überrascht hat. Denn trotz der doch eher düsteren Thematik ist dieser Roman beim Lesen so wunderbar leicht und zart. Nach dreißig gemeinsam Ehejahren plötzlich alleine dazustehen – ein furchtbarer Gedanke für alle, die sich in einer zufriedenen Langzeitbeziehung befinden. Und genau das ist, was Marlene gerade durchmacht. Doch ihr Schmerz geht tiefer als bloße Trauer, denn mehr noch als Rolfs Abwesenheit schmerzt sie der Verrat, den sie damit verbindet. Also plant sie ihren Suizid. Denn wer ist sie schon ohne Rolf? Das Leben hält doch eh nichts mehr für sie bereit. Ja, und da, an diesem Punkt, da täuscht sich Marlene gewaltig. Denn das Leben, das geht immer weiter und hält auch dann, wenn man es nicht für möglich hält, noch Überraschungen bereit. Diese kommen in Form von Jack und Ida in Marlenes Leben. Zwei Menschen, die ich jedem/jeder wünschen würde. Denn sie sind feinfühlige, freundliche und gute Menschen, denen Marlene aufrichtig am Herzen liegt. Und ohne dass sie es merkt, kehrt die Lebensfreude zurück zu ihr. Ganz langsam, still und leise. Es ist die Freude in den kleinen Momenten, die Marlene durch die beiden wieder spürt. Ein gutes Glas Wein in netter Gesellschaft, ein aufrichtiges Lachen, leckeres Essen, kleine Gesten der Hoffnung. Mit ganz feinem Humor und viel Gefühl umarmt uns »Von hier aus weiter« beim Lesen mit einer Geschichte über eine Frau, die sich und ihren Lebenswillen erst wieder finden muss. Ein hoffnungsvoller Roman, der ganz wunderbar vor Augen führt, warum es wichtig ist, auf andere zuzugehen und für sie dazu sein. Manchmal ist alles, was wir brauchen, jemand, der die Hand ausstreckt und zuhört ohne zu urteilen. Das tröstet auch glatt darüber hinweg, dass mir das Ende des Buchs dann ein bisschen zu schnell ging. Ich leg es euch ans Herz.
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