Rezension zu »Nowhere Heart Land« von Emily Marie Lara

Kurz vor ihrem 30. Geburtstag kehrt Rosa zurück in ihr Heimatdorf in der deutschen Provinz. Das erste Mal, seit sie vor zehn Jahren nach London gezogen ist. Die Demenz ihrer Oma schreitet voran, die Pflege im Heim wird teurer und das Geld reicht nicht. So bleibt Rosa nichts anderes übrig, als das Haus der Familie zu verkaufen. Ein unfreiwilliger Besuch also, doch zeitgleich auch Flucht: Denn London hat sie überstürzt und im Aufruhr verlassen, ihren Job ist sie gut wie los – vermutet sie, die regelmäßigen Anrufe ihrer Noch-Chefin ignoriert sie geflissentlich. Dafür hat sie jetzt ein blaues Auge – und keinen Plan. Aus dem eigentlichen Vorhaben, das großelterliche Haus zu verkaufen, wird eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Denn die vertrauten Orte katapultieren Rosa zurück in eine Zeit, die sie nie losgelassen und mehr geprägt hat, als jede andere: die Zeit auf dem Internat auf dem einst auch ihre Mutter Conny war. Conny, die viel zu jung Mutter wurde und viel zu jung starb, keine 30 wurde. Es ist diese anstehende, drohende 30, die Rosa zu überfordern scheint. Älter zu werden, als ihre Mutter es je war, und dennoch komplett orientierungslos durchs Leben zu treiben. Zur Vergangenheit gehört auch ihre damalige beste Freundin Leni, die vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat. Rosa, damals betrunken, hat keine Erinnerung an den Vorfall. Und will doch die alte Zeit zurück. Also bedrängt sie Leni, ruft sie an, immer wieder, schreibt Nachrichten, wartet an ihrem Arbeitsplatz. Vollgepumpt mit Nikotin, Alkohol, Nostalgie und einer ausufernden Manie versucht Rosa, die Vergangenheit wieder lebendig zu machen – und ist dabei, dafür Gegenwart und Zukunft zu opfern.

»Nowhere Heart Land« hat es mir nicht leicht gemacht. Es kommt wirklich nicht oft vor, dass ich ein Buch beiseitelege und erst über eine Woche später weiterlese. Aber ich kam nicht rein in diese Geschichte, diesen wirren Erzählstil, die wahllosen Zeitsprünge, in die Gedanken- und Gefühlswelt von Rosa. Irgendwann, zur Hälfte hin, wurde es dann besser. Aber nie so wirklich gut. Denn ja, der Erzählstil ist wie geschaffen für das zunehmend manische Verhalten von Rosa, aber es macht das Lesen und Verstehen gleichzeitig auch verdammt schwer und anstrengend. Und vielleicht könnte ich darüber sogar hinwegsehen zu einem bestimmten Grad. Aber: Ich weiß noch immer nicht, was diese Geschichte mir eigentlich sagen wollte. Von der ersten bis zur letzten Seite, von der Vergangenheit bis in die Gegenwart ist Rosas gesamtes Verhalten ein einziger Hilferuf. Der unverarbeitete, viel zu frühe Verlust der Mutter, die unter – zumindest für uns Lesenden – nicht ganz eindeutigen Umständen verstorben ist. Das Aufwachsen in einem katholisch-humanistischen Internat, ein Ort, an dem die Spuren der Mutter so stark waren, dass Rosa teilweise Schwierigkeiten hatte, ihre Leben auseinanderzuhalten. Der Bruch mit ihren Freundinnen. Ihre Toxizität. Ihr hochproblematisches Stalking von Leni in der Gegenwart. Die Umstände ihres Weggang aus London. Ihre Weigerung, sich mit sich selbst und der Welt und Konsequenzen auseinanderzusetzen. Ihr Alkohol- und Drogenmissbrauch. Ihre Wut auf alle, die nach vorne blicken und ihr Leben leben, anstatt wie sie in der Vergangenheit festzustecken. Das ist Rosa. Ein Mensch, der ganz klar und schon seit Jahren professionelle Hilfe braucht. Rosa, deren Geschichte so offen und wild und voller Fragezeichen endet, wie sie begonnen hat und über die Länge des Buches blieb. Und so bleibt mir von »Nowhere Heart Land« leider hauptsächlich das Gefühl zurück, nicht so recht zu wissen, was und warum ich da gelesen habe.




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Daten zum Buch
Titel: Nowhere Heart Land
Autor*in: Emily Marie Lara
Sprache: Deutsch
Verlag: Pola
Hardcover | 352 Seiten | ISBN: 978-3-7596-0026-4

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