Rezension zu »Sunburn« von Chloe Michelle Howarth
»Zu spät erkenne ich, dass sie der Sommer meines Lebens war. Was für ein langsamer und schmerzhafter Tod das sein wird.«
Das Aufwachsen in der irischen Provinz in den 1990er Jahren ist nicht leicht, besonders nicht für Lucy, die sich seit ihrer Kindheit fehl am Platz fühlt – ein Gefühl, dass in der Jugend nur stärker wird. Ihre Freizeit verbringt sie mit ihren besten Freundinnen – ein kompliziertes Geflecht aus jungen Frauen, die sich gegenseitig lieben und doch ständig bewerten. Und mit Martin, ihrem besten Freund seit Kindertagen, der jedoch mehr für sie zu empfinden scheint als sie für ihn. Auch ihre Familien und Freund*innen erhöhen den Druck, erwarten, dass die beiden ein Paar werden, nach der Schule heiraten und Kinder bekommen. Lucys Leben als Ehefrau und Mutter scheint im dörflichen Rahmen vorbestimmt. Doch nichts liegt Lucy ferner. Alles wird schlimmer und besser, als sich Lucy in einem langen, heißen, trägen Sommer plötzlich zu ihrer Freundin Susannah hingezogen fühlt. Dadurch beginnt sie, zu verstehen, warum sie sich anders fühlt, das Gerede über Jungs in ihrer Clique uninteressant findet. Nach langer, leiser Annäherung passiert das für Lucy unmöglich Scheinende: Susannah erwidert ihre Gefühle. Aus zarter Verliebtheit wird eine intensive, leidenschaftliche Liebesbeziehung – die gleichzeitig alles von Lucy fordert und ihr alles gibt. Denn während die selbstbewusste Susannah sich offen zu Lucy bekennen möchte, kämpft Lucy mit ihrer streng katholischen, irischen Erziehung, die ihre Sexualität voller Abscheu betrachtet. Wer gewinnt den Kampf in ihrem Inneren – ihre Liebe für Susannah oder die anlernte Scham? Und wird Susannah dann noch da sein?
»Ich will mit ihr zusammen sein. Sie ist das Erste und das Letzte, was ich will, aber sie ist nicht das Einzige.«
»Sunburn« war … sehr sehr vieles für mich beim Lesen. Melancholisch, drückend, verzweifelt, intensiv, emotional. Den Roman zu lesen, hat weh getan – auf eine gute Art, auf eine Art, die einen ans Buch fesselt und nicht mehr loslässt. Dabei baut sich die Geschichte zunächst sehr langsam auf, driftet dahin wie der träge Sommer in Crossmore. Und hat doch Zwischentöne in einer Intensität, auf die frau sich einlassen muss, damit sich die Wirkung des Romans entfalten kann. Es ist vielleicht eins der schönsten und traurigsten Bücher über queere Liebe, die ich bisher gelesen habe. Weil Lucy mir so nahe ging, ihr innerer Konflikt so unglaublich spürbar war. Diese Zerrissenheit einer Jugendlichen zwischen dem Wunsch, dazuzugehören, und dem Erfüllen der Erwartungen anderer – ihrer Gemeinschaft, ihrer Familie, ihrer Freund*innen, und ihrer puren, ehrlichen Liebe zu Susannah. Zwei gewichtige Sehnsüchte, unvereinbar, zu viel für Herz und Verstand einer Jugendlichen kurz vorm Schulabschluss. Und so lesen wir, wie Lucy Entscheidungen trifft und ihr Entscheidungen aufgedrückt werden, wie sie Fehler begeht und durchs Leben stolpert. In ihrer Jugend und in den Jahren, die kommen. Es ist ehrlich, es ist schmerzhaft, es ist Selbstfindung, es ist Jugend und Verliebtsein, es ist das Balancieren mit auferlegten Erwartungen und dem Erlernen, zu sich selbst zu stehen. Wenn ich an »Sunburn« denke, spüre ich noch immer dieses leise, bedrückende Gefühl von Enge in der Brust, weil mich Lucys Geschichte so berührt hat, sich so echt angefühlt hat, so furchtbar traurig-schön war.
»Ein unglaubliches, so plötzliches Sonnenstrahlen, ihr Haar verwandelt von Rost in Gold, ihre Haut brennend, bräunend, bis auf ein paar helle Linien. Diese neuen Farben sind jetzt meine Lieblingsfarben, diese Linien auf ihrer Haut sind alles, was ich verstehe.«
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