Rezension zu »Das Beste sind die Augen« von Monika Kim

Als ihr Vater von einem Tag auf den anderen und ohne Vorwarnung die Familie verlässt, um sein Glück mit einer jüngeren Frau zu finden, gerät Ji-wons Leben aus den Fugen. Ihre Mutter weint nur noch, starrt voller Hoffnung auf die Haustür, die sich nicht öffnen wird. Bis sie anfängt, Fischaugen zu essen. Schließlich soll das Glück bringen. Ji-won und ihre jüngere, 15-jährige Schwester Ji-hyun ist der Appetit auf Fisch seither vergangen. Bis Ji-won eines Abends die Traurigkeit ihrer Mutter nicht mehr erträgt und einwilligt, eins der Augen zu probieren. Überrascht stellt sie fest: Es schmeckt. Sie will mehr. Glück scheint es jedoch keines zu bringen, denn ihr kürzlich erst begonnenes Studium leidet zunehmend, allgemein ist Studieren schwieriger als gedacht. Soziale Kontakte hat sie kaum, umso dankbarer ist sie, als sie Geoffrey in einem ihrer Seminare kennenlernt. Immerhin hat sie nun jemanden, mit dem sie Nachrichten austauschen kann, wenn die Realität zu viel wird. Alles wird schlimmer, als ihre Mutter den beiden Schwestern ihren neuen Freund George vorstellt. Ihre Mutter genießt verträumt ihr Glück, die Schwestern jedoch finden sich in einem Alptraum wieder. Denn nicht nur, dass ihrer Meinung nach alles zu schnell geht mit George und ihrer Mutter, die beiden fühlen sich auch zunehmend unwohl in seiner bedrängenden Anwesenheit. Denn was ihre Mutter nicht sehen will, ist für Ji-won und Ji-hyun glasklar: Der weiße George fetischisiert asiatische Frauen. Seine Rassismen und Sexismen, seine Fetischisierung äußern sich in seinem Blick, seinen Worten, seinen Handlungen – und schrecken auch nicht vor der 15-jährigen Ji-hyun zurück. In Ji-won beginnt es, zu brodeln. Immer stärker, unaufhaltsamer macht sich in ihr etwas breit. Ein Aufbegehren. Eine Gier. Ein machtvoller, obsessiver Hunger auf blaue Augen – Augen, so blau, wie die von George.

Was war das für ein Genuss! Ich möchte dem Inhalt und eurem Leseerlebnis nicht zu viel vorwegnehmen, weil dieser Roman auch dadurch wirkt, dass man eben nicht weiß, was passieren wird, unf möchte mich in meiner Buchempfehlung mehr auf Schreibstil und Feeling konzentrieren: »Das Beste sind die Augen« ist Female Rage-Literatur vom Feinsten. Diese unterschwellige Düsternis und Ekel, die durch den Roman tragen, bauen sich erst sehr langsam auf – und sind im Kontext des Fischauges doch von Anfang an präsent. Die Beschreibungen sind dabei so wunderbar gezeichnet, dass sie beim Lesen den gewollten Ekel hervorrufen, gleichzeitig aber auch nicht »too much« sind. Selbiges gilt für die kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung von Sexismus, Rassismus und Fetischisierung: Diese Themen stehen im Zentrum des Buchs, sie sind das Buch, aber sie wirken unterschwellig, sind fein gezeichnet und auf eine Art spürbar, die mehr unter die Haut geht als vorführt. Dabei entwickelt die Geschichte einen Sog und ist so leicht zu lesen, dass man beinahe durch die Seiten fliegt. Ji-won ist dabei eine faszinierende Protagonistin, eine eigenwillige Heldin der anderen Art, in deren Gedanken- und Gefühlswelt man zunehmend eintaucht und ganz unbemerkt mit hineingezogen wird in ihren Strudel. Wie weit sie in ihren Rachefantasien gehen wird, wie sehr die Wut die Oberhand gewinnen wird, das solltet ihr unbedingt selbst herausfinden.

Großes Kompliment an Monika Kim für einen der coolsten, verrücktesten und wichtigsten Debütromane seit langem! Body Horror im Feminismus-Kontext entwickelt sich vielleicht langsam zu einer kleinen Sucht von mir – I need more of it.




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Daten zum Buch
Titel: Das Beste sind die Augen
Autor*in: Monika Kim
Aus dem Englischen übersetzt von Jasmin Humburg
Sprache: Deutsch
Verlag: kiwi sphere
Hardcover | 352 Seiten | ISBN: 978-3-462-00998-9

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