Rezension zu »Die Rettung« von Charlotte McConaghy

»Kann schon sein, dass wir eines Tages alle ertrinken, verbrennen oder verhungern, aber bis dahin können wir immer noch selber entscheiden, ob wir zur Vernichtung beitragen oder füreinander da sein wollen.«

Dominic Salt lebt mit seinen drei Kindern Fen, Raff und Orly auf der kleinen Insel Sheawater, irgendwo zwischen Australien und Antarktis. Dominic arbeitet als Verwalter, doch die kleine, dort stationierte Forschungsstation ist inzwischen stillgelegt. Denn der Meeresspiegel steigt, die Unwetter nehmen zu, es ist nurmehr eine Frage der Zeit, bis das Meer die Insel verschluckt. Der Familie bleiben nur noch sechs Wochen, um alles Notwendige und Wichtige zusammenzupacken, bevor das Containerschiff sie evakuiert – darunter auch der Bunker, in dem sich eine der letzten Samengutbanken der Welt, voller Samen seltener oder bereits ausgestorbener Pflanzen. In einer Sturmnacht wird eine Frau an der Küste angespült – mehr tot als lebendig, tiefe Wunden vom erlittenen Schiffbruch klaffen in ihrer Hüfte. Dass Rowan noch lebt, ist Fen zu verdanken, die sich im Wasser weit mehr zuhause fühlt als an Land und sie geborgen hat. Die Familie kümmert sich fortan um Rowan, versorgt ihre Wunden, pflegt sie gesund. Während Orly schnell Vertrauen zu Rowan fasst, begegnen Fen, Raff und besonders Dominic ihr mit Misstrauen. Ist die Fremde wirklich, wer sie vorgibt zu sein? Und was macht sie hier, mitten im Nirgendwo? Dass sie auf Sheawater wollte, zu ihnen, ist die einzige Erklärung. Nur, aus welchem Grund? Und auch Rowan blickt skeptisch auf diese exzentrische Familie – nicht ahnend, dass es bis zur Evakuierung in sechs Wochen keinen Weg hinunter von der Insel gibt.

Düster, melancholisch, unheilvoll. So lernen wir Sheawater kennen, diese Insel, auf der die Toten den Weg ins Jenseits nicht ganz überschritten zu haben scheinen. Ein Schleier der Mystik liegt über der Insel, die Last der Vergangenheit, die Aussichtslosigkeit der Zukunft, die Grausamkeit der Menschheit, Nebel und Sturm. Kaum vorstellbar, dass so entlegen Menschen leben – eine Familie, ein Mann und seine Kinder, die nichts anderes mehr kennen als das freie, wilde Leben inmitten der Launen der Natur – und die sich, alle für sich und doch gemeinsam, darauf vorbereiten müssen, in eine zivilisierte Welt zurückzukehren, in die sie nicht mehr passen. Es ist eine eingespielte Dynamik, die viel offenlässt – jede*r von ihnen trägt psychische Wunden und Geheimnisse mit sich herum, die verschwiegen bleiben. Doch durch Rowans Ankunft ändert sich alles. Das Gewicht der Geheimnisse wird zunehmend schwerer zu tragen. Wie Wildtiere umkreisen sich diese fünf Menschen, Annäherung und Distanz, Argwohn und Vertrauen wechseln sich ab. Über all dem liegt der drohende Untergang der Insel, das menschliche Versagen im Umgang mit diesem Planeten, ein Mahnmal für den Klimaschutz. Und so verweben sich das Schicksal von Mensch und Natur in »Die Rettung« untrennbar miteinander und schaffen ein dichtes, atmosphärisches und düsteres Leseerlebnis, das doch immer wieder von einem leichten Hoffnungsschimmer durchbrochen wird. An der ein oder an anderen Stelle war die Handlung für mich etwas zu weit hergeholt, die Geheimniskrämerei zu langgezogen und meine Geduld strapazierend, aber dennoch: Dieses Buch ist schön, auf traurige Weise.

»Aber so ist das Leben nun mal: Wir müssen mit ganzer Seele Dinge lieben, von denen wir wissen, dass sie sterben werden.«




..................................................................

Daten zum Buch
Titel: Die Rettung
Autor*in: Charlotte McConaghy
Aus dem Englischen übersetzt von Jan Schönherr
Sprache: Deutsch
Verlag: S. Fischer
Hardcover | 368 Seiten | ISBN: 978-3-10-397683-0

Kommentare