Rezension zu »Frauen im Sanatorium« von Anna Prizkau

Seit dieser Sache befindet sich Anna im Sanatorium. Nicht, um gesund zu werden, sondern weil Leben einfach nicht mehr geht und sie eine Pause braucht. Ihre Tage verbringt sie in Gedanken versunken, im Kurpark besucht sie regelmäßig den blassen Flamingo Pepik, mit dem sie (Selbst-)Gespräche führt. Ihm vertraut sie an, was sie auch ihren Therapeut*innen nicht erzählen kann und möchte. Sie erzählt von ihrer Mutter, die einst liebevoll war und dann damit aufgehört hat. Die mit allem aufgehört hat. Sie denkt an ihren Vater, der gegangen ist, um neu anzufangen. Und an sich, wie sie zurückblieb. Allein. Sie erzählt Pepik von den anderen Frauen im Sanatorium, zu denen sie lose, fragile Beziehungen aufbaut. Von Elif, die sich jeden Tag ein neues Märchen ausdenkt. Von Marija, die nur von ihrer toten Mutter spricht. Und von Katharina, einer Soldatin, die wenig spricht und dafür umso mehr Rotwein mit Wodka trinkt. Doch nicht nur von ihnen erzählt Anna Pepik, nein, sie erzählt ihm auch von David, einem weiteren Patienten des Sanatoriums. Weil die Liebe sich an allen möglichen Orten finden kann. Falls es denn Liebe ist. Falls Anna denn noch lieben kann. Nach und nach verliert sich Anna in Elifs Märchen, Marijas Erinnerungen und Katharinas Wut. Irgendwo, irgendwie verschmelzen die Erfahrungen dieser Frauen und werden ein Teil von Anna, verändern sie.

Über »Frauen im Sanatorium« zu sprechen, fällt mir schwer. Weil ich dieses Buch einfach nicht so wirklich zu fassen bekommen habe. Was genau mit Anna passiert ist, bleibt schemenhaft. Was mit Elif, Marija und Katharina passiert ist, bleibt schemenhaft. Wir haben es hier mit einer derart unzuverlässigen Erzählstimme zu tun, dass wir im Dunkeln bleiben, was real ist oder war und was erdacht. Und so blieben mir am Ende Fragen. Fragen, was mit Anna war, Fragen zu den Soldat*innen, Fragen zu dem, was zwischen Anna und David passieren wird, Fragen zum Ende, Unzufriedenheit mit dem Ende. Es ist ein emotional schweres, inhaltlich verworrenes Buch über komplexe Themen wie psychische Erkrankungen, Familie, vererbte Traumata, Migration, Liebe, Freundinnenschaft. Es ist ein Roman, der sich mir entzogen hat. Und so habe ich ein wenig gekämpft. Beim Lesen, beim Aufmerksambleiben, beim Verstehen. Zu oft habe ich mich dabei erwischt, wie sich meine Gedanken auf Reisen gemacht haben, weil mir die Worte und Seiten durch die Finger geronnen sind. Und so fällt es mit schwer, diesem Buch meine Meinung aufzudrücken. Ich glaube, »Frauen im Sanatorium« hat eine Kraft, die sich entfalten kann. Ich glaube, darin steckt eine Geschichte, die es verdient hat, erkundet zu werden. Auch wenn es für mich ein leises Gespräch zwischen Anna und Pepik bleibt, gesendet auf einer Frequenz, die ich nur als Rauschen empfangen konnte, empfehle ich es allen, die Lust haben, sich auf diese Geschichte einzulassen.




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Daten zum Buch
Titel: Frauen im Sanatorium
Autor*in: Anna Prizkau
Sprache: Deutsch
Verlag: Rowohlt Hundert Augen
Hardcover | 304 Seiten | ISBN: 978-3-463-00732-4

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