Rezension zu »Furye« von Kat Eryn Rubik

»Als würde uns die ganze Stadt gehören, streiften wir über den glühenden Asphalt zum Meer. Und die schwüle Hitze legte sich um unsere nackten Schultern wie ein unsichtbarer samtener Umhang. Und darauf wehend unsere Wappen. Schmerz und Jugend.«

Als Musikmanagerin hat sie sich in Frankreich einen Namen gemacht. Ihr Gesicht ziert das Cover der VOGUE-Business. Eine Powerfrau, selfmade, wahrgewordener Traum. Doch hinter dem Vorhang: Einsamkeit. Ein toter Vater, eine Mutter, die sich nach dem Tod des Mannes zurück ins Leben kämpft, ein unerfüllter Kinderwunsch, ein Körper, der sich gegen sie wendet, kein soziales Netz, Gefühllosigkeit und Sinnlosigkeit. Als sie einen Anruf erhält, gerät ihr durchgetaktetes Leben außer Takt. Kurzerhand packt sie ihre Taschen, überlässt ihren anstrengenden Star-Musiker ihrer Angestellten und kehrt nach über zwanzig Jahren zurück an den Ort ihrer Kindheit und Jugend. Dort, in der heißen, rauen Stadt am Meer, taucht sie ein in ihre Vergangenheit. Sie ist wieder 17, ist wieder Alec, eine der Furien, und durchlebt – gestützt von den flirrenden Gedanken in ihrem alten Notizbuch – erneut diesen einen heißen, verhängnisvollen Sommer mit ihren beiden besten Freundinnen Meg und Tess, der alles verändert und über den sie seitdem nie wieder gesprochen hat. Zwischen alten, wiedererweckten Erinnerungen und Gefühlen taumelt sie einem unaufhaltsamen Ende entgegen.

Kennt ihr das, wenn ein Buch zu viel (sein) will und dann damit zu kämpfen hat, sich selbst gerecht zu werden? »Furye« ist so ein Buch für mich. Was hatte ich mich gefreut auf diese Geschichte, »rasant, sinnlich und brutal erzählt« – Cover und Klappentext ein Traum. Doch nach dem Lesen hadere ich etwas mit mir, mit dem Buch, mit meinem Gefühl. Denn ich hatte mir schlicht mehr erhofft und erwartet. Mehr Rausch, mehr flirrende Sommerhitze, mehr Tiefe, mehr Brutalität, einfach mehr. Es sind viele Themen, die Rubik hier aufgreift – die Vergänglichkeit und Intensität der Jugend, komplizierte Eltern-Kind-Beziehungen, Klassenunterschiede, mentale Gesundheit, Macht und Missbrauch, Freundinnenschaft, erste Liebe, Enttäuschungen, geplatzte Lebensträume, Spannungselemente, unerfüllter Kinderwunsch, Vergangenheitsbewältigung und und und. Zu viel? Vielleicht. Denn am Ende weiß ich den Roman nicht so ganz einzuordnen, fehlt mir die Linie und die Intensität. Verschwimmende Grenzen zwischen Realität und Vergangenheit waren angekündigt und blieben dann doch weitestgehend aus. Die kleinen Einblicke ins Dasein als Musikmanagerin der namenslos bleibenden Erzählerin – überflüssig, eigentlich. Der Sommer der Furien? Ich weiß es nicht. Vor allem von diesem Erzählstrang habe ich mir mehr erwartet, rechnete mit Female Rage, zumindest aber mit deutlich mehr Düsternis, Grenzüberschreitung und größerem Stellenwert in der Geschichte. Oder mit einer Aufklärung des Ganzen. In »Furye« passiert viel, das stehengelassen wird. Ich blicke auf jede Menge offener Enden, von denen ich nicht weiß, was sie mir sagen sollen und wollen. Habe ich einfach zu viel erwartet? Bin ich zu kritisch? Den Schreibstil der Autorin mochte ich. Ich wurde unterhalten, hätte aber gerne was gespürt, wäre gerne mitgerissen worden. Ich sehe und spüre das Potenzial, das in dieser Geschichte steckt. Für mein Empfinden fehlte »Furye« eine Ausrichtung, um die Schlagkraft entwickeln zu können, die die Geschichte bereitgehalten hätte. Ich glaube aber, wer es mit weniger Vorerwartung liest, wird gut unterhalten und glücklich beim Lesen – ein Buch für einen lauen, trägen Sommertag.

»Und ich werde nur das Schöne erinnern. Wie man immer nur das Schöne erinnert, wenn genug Zeit vergangen ist. Irgendwann. Vielleicht.«




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Daten zum Buch
Titel: Furye
Autor*in: Kat Eryn Rubik
Sprache: Deutsch
Verlag: DuMont
Hardcover | 352 Seiten | ISBN: 978-3-8321-8194-9

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