Rezension zu »Single Mom Supper Club« von Jacinda Nandi
Tamara, Kayla und Lina sind drei Britinnen, gefangen im Leben von Berlinerinnen. Einmal im Monat treffen sie sich mit der anstrengenden Berlinerin Antje zum Supper Club. Dort wird weniger gekocht als mehr gegessen, getratscht, getrunken. Was die Vier verbindet, ist das Leben als alleinerziehende Mütter. Also so mehr oder weniger. Aber einsam, ausgelaugt und müde sind sie alle. Dementsprechend gut tut es, die Sorgen mal hinter sich zu lassen oder zu teilen, über die Stränge zu schlagen, den Alltagstrott kurz mal zu verlassen. Halbwegs gesittet gehen sie zu, diese Dinner-Abende. Bis der Club kurzerhand in den der Cocaine Moms integriert wird. Warum auch zwei Gruppen, wenn man eine haben kann? Die Cocaine Moms, das sind Lexi, Nana, Sascha und Tugba – vier Momfluencerinnen, die, wie der Name schon verraten mag, auch weniger Kochen beim gemeinsamen Treffen, sondern eigentlich genau das tun, was der ursprüngliche Supper Club auch macht – nur eben in jünger, mit viel mehr Geld und Ästhetik, oh, und mit Kokain natürlich. Die acht Frauen hören einander zu, unterstützen sich, kritisieren sich, fallen einander in den Rücken und fangen sich auf. Treffen, so unberechenbar wie der Alltag, so laut wie ein Kindergeburtstag, so nervig wie ein Elternabend, so wohltuend wie ein kinderfreier Abend.
Was wie eine wilde, abgedrehte Fahrt beim Lesen klingt – bietet genau das. Aber lasst euch nicht täuschen, hinter dieser schwarzhumorigen, pointierten und bissigen Fassade verbirgt sich noch so viel mehr. Jacina Nandi, selbst Britin und Wahl-Berlinerin, schafft hier einen so unterhaltsamen wie kritischen Blick auf so ziemlich alles: aufs Frau- und Muttersein, auf die schwierige und teilweise sehr prekäre Situation alleinerziehender Mütter, aufs Leben als Expat, auf die Scheinwelt des Influencer*innen-Tums, auf strukturelle Misogynie, auf toxische Beziehungen und Missbrauch, auf Geldsorgen, auf Diskriminierung, auf Klassen- und Generationenunterschiede – und, first of all, auf die Deutschen. Deutschland kommt nicht gut weg in diesem Buch, Nandi spielt mit Klischees und Stereotypen, kaum eine Unterhaltung der Single Moms, in denen die spießigen, verkopften, Bürokratie-durchtränkten Verhaltensweisen der Deutschen nicht aufs Korn genommen werden – überspitzt, verallgemeinernd, aber auch mit einem herzlichen Schmunzeln, das einen beim Lesen oft selbst schmunzeln, wenn nicht sogar laut auflachen lässt. Lachen, das dann direkt wieder im Hals stecken bleibt, denn auch eine Tragik und Schwere bleibt uns Lesenden nicht erspart. Nandi legt den Finger in eine gesellschaftliche, strukturelle Wunde, stochert bewusst, um auch das Hässliche zum Vorschein zu bringen. Hatte ich bis zum Ende verinnerlicht, wer jetzt wer ist von den acht Moms? Nein. War das wichtig? Nicht so sehr. Denn die einzelnen Figuren und eine konsistente Erzählform scheinen weniger wichtig als die dahinterliegende Message, die Nandi zu erzählen hat. »Single Mom Supper Club« ist scharfe Gesellschaftskritik und pointierte Unterhaltung in einem, irgendwo zwischen Übertreibung und Realität, zwischen Pausenbroten und Kokainkonsum, zwischen Vorurteilen und Verständnis, zwischen Tragik und Komik, zwischen Alltag und Fiktion.
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