Rezension zu »Teddy« von Emily Dunlay

Texas, 1969. Teddy ist schön. Sehr schön sogar. Teddy weiß, wie schön sie ist. Sie weiß aber auch, dass sie in Texas nur eine von vielen schönen Frauen ist. Und sie weiß, dass ihre Schönheit nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass sie bereits 34 ist. Demnach bleibt ihr nicht mehr viel Zeit, einen Mann zu finden. Eigentlich möchte Teddy dies gar nicht – sie lebt gerne selbstbestimmt und für sich allein, in den Tag hinein und genießt ihre Freiheit in vollen Zügen. Doch was Teddy noch mehr will – und braucht, schließlich hat sie sich an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt – ist ihr Anteil am Familienvermögen. Und als Tochter einer texanischen Familie mit tiefen Wurzeln und noch größeren politischen Ambitionen erhält sie ihren Anteil erst, wenn sie unter der Haube ist. Ihr gesetztes Ziel: In sechs Monaten verheiratet sein, bevor sie 35 wird. Sie kann ihr Glück kaum fassen, als sie David kennenlernt, einen amerikanischen Diplomaten in Rom. Innerhalb kürzester Zeit heiraten die beiden und Teddy zieht zu David nach Rom. Rom im Sommer ist alles, wovon Teddy je geträumt hat: heiß, verheißungsvoll, ein Ort wie geschaffen für sie, mit den besten Designern und Stars und Sternchen. Hier will sie ihre umtriebige Vergangenheit hinter sich lassen, eine gute Diplomatengattin und David eine gute Ehefrau sein, hier will sie mit ihrem texanischen Charme und ihrer Stilsicherheit begeistern. Eine Hoffnung, die auf den ersten Blick in Erfüllung zu gehen scheint – doch bald geraten die Dinge außer Kontrolle. Gefangen in ihren alten Verhaltensmustern wird David zunehmend unzufrieden mit seiner Frau, die in den guten Kreisen nicht unbedingt auf positive Art die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dann, am 4. Juli, nur wenige Wochen nach Teddys Ankunft, eskaliert die Situation und Teddy findet sich in einer Lage wieder, aus der sie selbst ihre Familie mit all ihren Verbindungen nicht einfach befreien kann. Zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben, muss Teddy sich um sich selbst kümmern – und sich mit den Konsequenzen ihrer Handlungen auseinandersetzen.

Mein wohl meist-gedachter Gedanke während des Lesens: »Oh Teddy«. Denn Teddy ist eine Frau, die aneckt. Zeitweise schrecklich naiv, zeitweise überraschend klug. Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will, aber nie gelernt hat, wie. Eine Frau, den Konventionen und der Sozialisierung ihrer Zeit unterworfen und doch immer im Versuch, daraus auszubrechen. Umgeben von Männern, die sie auf ihren Körper reduzieren, ein ständiger Male Gaze, der über allem liegt. Und doch, und das war das vielleicht schönste, faszinierendste an Teddy, beugt sie sich dem nicht, sondern begehrt dagegen auf, in vielerlei Hinsicht auch unterbewusst. Denn Teddy ist hungrig und impulsiv und gibt ihrem Hunger nach, wann immer sie kann. Dem Hunger auf Nahrung ebenso wie dem auf die schönen Dinge des Lebens. Sie isst gerne und viel und kleidet sich am liebsten figurbetont, sie ist laut und forsch, oft viel zu direkt und unbedacht – alles Dinge, die ihren Mann verstimmen. Aber Teddy ist hungrig aufs Leben, auf Teilhabe, auf Selbstbestimmung, die ihr immer wieder entzogen und verweigert wird. Stattdessen wird sie in die Rollen gedrängt, die Männer für sie vorsehen. Umso passender, dass Teddys Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt wird. Gegen die Male Gaze kommt sie zu Wort. In der Gegenwart 1969, in der sie sich nach den Geschehnissen am 4. Juli in einer Art Verhör befindet und in der Vergangenheit der letzten Wochen, die sie aus ihrem Blickwinkel den Verhörenden nach und nach offenbart. Wir Lesenden tauchen dabei tief ein ins Rom Ende der 1960er Jahre und erhalten einen Einblick in die Zeit, die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche, das Frauenbild. Obwohl mir die Geschichte ein paar Längen zu viel hatte und das fulminant erwartete Ende für mich doch deutlich an Drama vermissen ließ, war »Teddy« durch diese facettenreiche, interessante Frauenfigur lesenswert.




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Daten zum Buch
Titel: Teddy
Autor*in: Emily Dunlay
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
Verlag: Rowohlt Kindler
Hardcover | 384 Seiten | ISBN: 978-3-463-00059-6

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