Rezension zu »Das Fräulein Buchhändlerin« von Martina Bergmann
»Sie war es leid, in Bildern von Männern vorzukommen, als Ergänzung. […] Sie wollte selbst der Mittelpunkt in ihren Angelegenheiten sein.«
Bielefeld, 1965. Die junge Buchhändlerin Amanda mag ihr bescheidenes, ruhiges Leben: Ihre Tage verbringt sie zwischen Büchern in Otto Anglers Buchhandlung. Wenn sie nicht Kaffee trinkt, den der eigenbrötlerische Sortimenter Horst gemacht hat oder mit Hingabe Kund*innen berät, liest sie und freut sich auf die Zeit mit ihrer Oma. Otto Anglers Vertrauen bedeutet ihr viel – und führt dazu, dass Amanda mehr Freiheiten hat als die meisten anderen Buchhandelsangestellten in der Bundesrepublik. Und auch ihr Partner Gisbert lässt Amanda sich selbst entfalten. Umso mehr widerstrebt es ihr, dass die Gesellschaft von ihr erwartet, bald zu heiraten und eine Familie zu gründen – denn im Bielefeld der 1960er Jahre bedeutet dies auch, ihren so geliebten Beruf an den Nagel zu hängen. Mutter und arbeitstätig, das schickt sich schließlich nicht. Alles ändert sich, als Amanda unerwartet die Möglichkeit bekommt, die Buchhandlung zu übernehmen. Nun ist eine erwerbstätige Frau ohne Heiratspläne schon etwas, das man kritisch beäugt – aber eine, die noch dazu ein Geschäft führen möchte? Undenkbar. Doch Amanda kämpft für ihren Traum, ihre eigene moderne Buchhandlung zu führen. Auch wenn sich ihr diverse meinungsstarke und von sich überzeugte Männer in den Weg stellen und ihre Pläne vereiteln wollen. Darunter auch Jürgen Lindheim, ein früherer Mitschüler von Amanda, der in Bielefeld auftaucht. Angeblich, um eine neue Filiale zu eröffnen, jedoch vermutet Amanda, dass er anderes im Schilde führt. Doch Amanda ist klug, viel klüger als die Herren vom Fräulein Buchhändlerin erwartet haben.
»Das Fräulein Buchhändlerin« ist ein toller Roman, voller starker Frauenfiguren und der Liebe zu Büchern. Amandas Weg von der angestellten Buchhändlerin zur selbstbewussten, toughen Buchhandelsbesitzerin zu begleiten, hat beim Lesen wirklich Freude bereitet. Für mein Empfinden hätte der Roman gerne noch etwas tiefer gehen können, das emotionale Innenleben von Amanda hätte mich in seiner Komplexität doch sehr interessiert. Besonders überzeugt der Roman durch eine sehr detaillierte und glaubhafte Darstellung des Buchhandelsalltags der 1960er. Wer sich für die Geschichte des Buchhandels interessiert und diese auf unterhaltsame Weise nähergebracht haben möchte, für den/die ist dieser Roman mit Sicherheit Volltreffer und Geschenk. Für jemanden wie mich wiederum hielt der Roman dadurch aber nicht sehr viel Neues an Informationen bereit – ich denke, da kommt dann auch mein Wunsch nach Tiefe in emotionaler Hinsicht als eine Art Ausgleich zum Leseerlebnis zum Tragen. Denn ich habe mich beim Lesen vor allem auf die Emanzipationsgeschichte konzentriert, die für mich gerne noch stärker und detailreicher hervorgehoben hätte werden können. Dennoch habe ich diesen Roman wirklich gerne gelesen, habe mich auch über die vielen anderen starken Frauen im Roman gefreut, allen voran Amandas Großmutter, und mein Wissen über die Buchhandelsgeschichte auffrischen können. »Das Fräulein Buchhändlerin« bietet ein interessantes Abbild von Buchhandel und Gesellschaft zu einem geschichtlich interessanten Zeitpunkt in der Geschichte Deutschlands, vermittelt einen guten Eindruck davon, was es hieß, in den 1960ern Frau zu sein und erzählt vom Mut, den eigenen Träumen zu folgen.
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