Rezension zu »Hero« von Katie Buckley

»Wenn man alle Anteile meines Charakters entfernen würde, die sich an ein männliches Publikum richten, weiß ich nicht, wie viel von mir noch übrig wäre.«

Hero und er sind seit Ewigkeiten beste Freund*innen. Sie ist eine Kellnerin, die den Traum von der Schriftstellerin noch nicht aufgegeben hat, er Chefkoch aus Leidenschaft. Doch seit einer Weile sind die beiden verliebt ineinander, leben zusammen und führen eine Beziehung. Er ist der beste Mann, den sie kennt. Und trotzdem sagt sie nicht sofort »Ja«, als er sie fragt, ob sie ihn heiraten möchte. »Nein« sagt sie auch nicht, dass sie Bedenkzeit braucht, das sagt sie ihm. Und er geht, gibt ihr die Woche Zeit zum Nachdenken, um die sie ihn bittet. In der nun leeren Wohnung reflektiert sie. Denkt über ihre Beziehung zu ihm nach, über die vielen Männer, die vor ihm kamen, über ihre Freundinnen und deren Lebenswege, über ihre Schwester und deren Lebensmodell als verheiratete Mutter eines Kindes, über ihre Mutter, die die Mutterschaft manchmal und die Ehe immer bereut hat und erst außerhalb der Ehe wirklich glücklich wurde. Denn das ist Heros große Frage, die große Angst, die sie zweifeln lässt, »Ja« zu sagen: Die Angst davor, hinter dem Label »Ehefrau« verloren zu gehen. Sich selbst und ihre Träume aufzugeben, ein Beiwerk ihres Mannes zu werden, in der allgemeinen Wahrnehmung und in ihrer eigenen, nach der Ehe in die Mutterschaft zu fallen und auch noch das letzte Bisschen ihrer Selbst zu verlieren. Wer ist sie und was will sie. Diese Frage ist Dreh- und Angelpunkt ihrer Überlegungen. Reichen sieben Tage, um eine Antwort auf diese Frage zu finden?

»Bin ich die Einzige, die es fühlen kann? Dass meine Zukunft längst festgelegt ist und je mehr ich mich winde, desto tiefer versinke ich darin?« 

Gleich vorweg: »Hero« hat mich total abgeholt, ich habe so viele Stellen markiert und hätte noch so viel mehr markieren können. Dieser Roman war ganz anders als erwartet: sprunghaft, lückenhaft, literarisch, poetisch, essayistisch, direkt, abschweifend, mitreißend – die niedergeschriebenen Gedanken einer Frau, die davon träumt, Autorin zu werden. Worte als Verarbeitungsmechanismus. Auf ganz eigenwillige Weise nimmt uns Hero mit in ihre Vergangenheit, die Vergangenheit vieler Frauen. Wie wird man zu der Frau, die in einem schlummert? Ist es überhaut möglich, man selbst zu sein, in einer Welt, in der Frau von klein auf in Rollen gezwängt und als Produkt der Fantasie anderer geformt wird? Ist die Ehe ein sicherer Hafen oder eine weitere Form der weiblichen Einschränkung? Ist sie bereit, für dieses Leben als Frau eines Mannes oder braucht sie die Freiheit, die Eigenständigkeit, ihr eigener Mensch zu sein? Wie viel Verständnis dürfen wir verlangen? Ist es fair, jemanden entweder heiraten oder gar keine Beziehung mehr mit der Person führen zu wollen? Warum scheint die Ehe noch immer als übergeordnetes Ziel über allen romantischen Bemühungen zu stehen? Ist selbst der beste Mann nicht immer noch ein Mann? Wie sieht das eigene Lebensglück aus, wenn es nur nach den eigenen Bedürfnissen geht? Allein und gemeinsam mit ihren Freundinnen, ihrer Mutter und ihrer Schwester versucht Hero, diese und viele Fragen zu beantworten, die um das Frausein, Beziehungen, Sozialisation und das Leben kreisen. Und so hat sich »Hero« als wildes, sprunghaftes, rohes und zartes Buch in mein Herz gelesen. Nicht, als klassische Liebesgeschichte, sondern viel besser: als Liebesgeschichte einer Frau in der Beziehung zu sich selbst. Denn Hero ist die Heldin und Anti-Heldin ihrer eigenen Geschichte, darf sein, wer auch immer sie sein möchte – ganz egal, welche Entscheidung sie am Ende treffen wird.

»Du darfst glücklich sein, weißt du? Es ist okay, geliebt werden zu wollen. Ich weiß, sage ich. Ich will aber auch noch andere Dinge.« 




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Daten zum Buch
Titel: Hero
Autor*in: Katie Buckley
Sprache: Deutsch
Aus dem Englischen übersetzt von Sonia Bonné
Verlag: Pola
Hardcover | 224 Seiten | ISBN: 978-3-7596-0029-5 

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