Rezension zu »Die Assistentin« von Caroline Wahl
Eigentlich träumt Charlotte von einer Karriere als Musikerin – doch die Erfolgschancen sind gering, die Versagensangst zu hoch. Also lieber auf Nummer sicher gehen, was die berufliche Zukunft angeht. Finden auch ihre Eltern. Als Assistentin des Verlegers eines großen Münchner Verlags kann Frau vermutlich wenig falsch machen. Und München soll schließlich eine schöne Stadt sein. Gesagt, getan, beworben – doch schon bald nach dem Umzug und dem Antritt der Stelle offenbaren sich Diskrepanzen zwischen Erwartung und Realität. Denn der Verleger ist eine besondere Art Mensch. Schnell findet Charlotte heraus, dass seine Assistentinnen häufig wechseln, keine scheint es lange auszuhalten mit dem meinungsstarken Verleger, der trotzdem kaum in der Lage dazu scheint, eine Entscheidung zu treffen. Doch Charlotte will es richtig machen, schließlich ist die Stelle perfekt geeignet als Sprungbrett für mehr Verantwortung innerhalb des Verlags – der Anfang einer richtigen Karriere scheint zum Greifen nah. Also lässt sie sich auf den Verleger und dessen Spleens ein, der ihr mehr und mehr vertraut. Dass dieses Vertrauen einhergeht mit absurden Arbeitszeiten, 1-zu-1-Betreuung, dem Weglächeln von zu persönlichen Fragen, dem Tolerieren, Vorhersehen und Gegenwirken seiner Stimmungsschwankungen und und und ... Nun, das gehört wohl zum Job dazu. Viel aushalten kann Charlotte schließlich. Wenn nötig, auch zulasten der eigenen Integrität, der Gesundheit und des Privatlebens. Bis es dann eben doch zu viel wird und der Job sich als das entpuppt, was er von vornherein war: eine einzige riesige Fehlentscheidung.
Passende Anekdoten hätte ich auch so einige zu erzählen, innerhalb wie außerhalb der Verlagsbranche. So hatte ich mal einen Chef, der mir gesagt hat, ich solle doch mehr lächeln während der Arbeit, ich sähe zu ernst und konzentriert aus. Die Grundstimmung des Romans – auch mit Blick auf Caro Wahls persönlichen Hintergrund aka ihrer Zeit als Assistentin bei Diogenes – klang also wie die Faust aufs Auge, »Die Assistentin« also nach dem perfekten Buch für mich. Und doch wollte der Funke einfach nicht so recht überspringen. Immer wieder hat mich die Geschichte für sich eingenommen und gefesselt – nur um mich bald darauf wieder total zu verlieren. Dieses Buch wirkt wie ein schriftstellerisches Experiment, voller Wiederholungen, Raffungen, Vorblenden, Rückschauen und mehr oder weniger gelungenen Verfremdungsversuchen als Stilmittel. In Summe war es mir dann zu viel des Gutes, die »Doch dazu später mehr«s wurden mir schnell lästig, den Raffungen fehlte gerne mal die Raffung, das Brechen der Vierten Wand klang mehr wie im Lektoratsprozess übersehene Schreibnotizen, die Geschichte hatte Längen und fürs Ende waren dann gefühlt keine Seiten mehr übrig. Ich wollte dieses Buch mögen und in Teilen habe ich es wirklich gemocht – zum Beispiel viele der geschilderten Situationen im Umgang mit dem Verleger lösten in mir mulmige Bauchgefühle und Mitgefühl mit Charlotte aus. Aber genau so viel, wenn nicht mehr, habe ich als störend empfunden – die Storyline der aufstrebenden Musikerin, die im Verlag landet, die für mich als Grundgerüst wenig Sinn ergab, die lose, irgendwie unnötige Nebenerzählung rund um Bo, den Umgang mit dem Thema psychische Gesundheit, die Romantisierung von selbstverletzendem Verhalten, die Art der Erzählung und, vor allem, das Fehlen von dem, was Caro Wahl eigentliche Stärke ist – die emotionale Ebene. Denn als Mensch blieb mir Charlotte durchweg fremd, Mitgefühl entstand fast ausschließlich im Zusammenspiel mit dem Verleger als Antagonisten. Und so weiß ich am Ende nicht ganz, was ich von »Die Assistentin« halten soll. Ich bin mir sehr sicher, dass dieser Roman seine Liebhaber*innen finden wird bzw. bereits gefunden hat – doch ich zähle dieses Mal unerwarteterweise nicht dazu.
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