Rezension zu »Junge Frau mit Katze« von Daniela Dröscher

»Hier, auf dem Papier, kann ich das Unmögliche wagen und versuchen, die Geschichte meines und auch ihres Körpers ein wenig anders zu erzählen.«

Der Kindheit und Jugend entwachsen, die wir in »Lügen über meine Mutter« begleiten durften, befindet sich Ela nun in einem neuen Abschnitt ihres Lebens. Sie lebt alleine und steht kurz vor der Verteidigung ihrer Promotion – dem letzten noch zu bewältigenden Schritt in ein akademisches, interessantes, vielversprechendes Leben. Ihr Traum: endlich zum Greifen nahe. Eigentlich sollte Ela lernen, sich vorbereiten – doch nach und nach macht ihr Körper schlapp. Es beginnt als Druck im Hals und breitet sich schnell aus. Bald bricht Ela zusammen, unter dem Druck von außen, dem Druck, den sie sich selber macht, und ihrem kranken Körper, der sich zunehmend ihrer Kontrolle entzieht. Für Ela beginnt ein Marathon aus Ärzt*innen, Behandlungsmethoden, widersprüchlichen Meinungen, unvollständigen Diagnosen und dem Gefühl, nicht als Mensch, Frau und Patientin ernst genommen zu werden. Ela hört nicht auf ihren Körper und versucht weiterhin, Leistung zu erbringen – die Promotion wartet schließlich nicht auf sie. Es bedeutet etwas, als erste in ihrer Familie die akademische Laufbahn einschlagen zu können. Während ihrer körperlichen Tortur muss Ela auch erkennen, dass ihre Vergangenheit noch lange keine Ruhe findet – mit ihrer Mutter hat sie zwar regelmäßig telefonisch Kontakt, doch sehen sich die beiden selten. Ela, die ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch im Schatten des Körpers ihrer Mutter und im Glauben ihres Vaters verbracht hat, der fettleibige Mutterkörper sei für das Unglück der ganzen Familie verantwortlich, kämpft noch immer mit ihrer komplizierten Beziehung zu ihrer Familie. Da hilft es nicht, dass ihre Mutter sich plötzlich nach Jahrzehnten des Rückzugs wieder ins Leben zu werfen scheint, und ihr Bruder, der sich anerlernt für den Körper der Mutter schämt, zu einer Hochzeit einlädt. Während Elas Körper immer deutlichere Signale der Erschöpfung schreit, beginnt Ela, zu hinterfragen, ob der Weg, den sie beruflich wie emotional eingeschlagen hat, wirklich der richtige, gesunde für sie ist.

»Junge Frau mit Katze« hat wie bereits damals »Lügen über meine Mutter« mein Herz für Ela erwärmt. Ich bewundere die Reflektiertheit, mit der Daniela Dröscher es schafft, autofiktional auf ihr Leben und ihre Familie zu blicken. Jetzt ist »Junge Frau mit Katze« per se kein leichtes Buch – es ist eine schier nicht enden wollende Anamnese von Schmerz und Leid und Verzweiflung. Und doch, in den Details verborgen und sich zunehmend Bahn brechend, ist dieser Roman eine starke Geschichte über Selbstermächtigung. Denn Ela kämpft: für sich, für ihren Körper, für ihre mentale und körperliche Gesundheit. Unermüdlich und gegen zahllose Widerstände. Ela lernt dazu, lernt zu akzeptieren, dass ein Körper keine Maschine ist, kein reiner Gegenstand, sondern Zuhause. Ein Ort, der Zuwendung und Liebe und Ruhe verdient. Stück für Stück sprengt sie die Grenzen dessen, was ihr in ihrer Kindheit vorgelebt wurde – entwickelt ein neues Körpergefühl und in dem Zuge auch einen neuen, erwachsenen Blick auf ihre Mutter und die Beziehung zu ihrer Mutter, der eine neue Art von Verständnis und die Chance auf Heilung ermöglicht. »Junge Frau mit Katze« hat mich tief berührt – in seiner Ehrlichkeit, in seinem Blick auf Gesundheit und Genesung, in seiner feministischen Stärke im Fokus auf die Tortur einer Betroffenen einer Frauenkrankheit. Dieser Roman ist ein Kampf um Anerkennung – für Sichtbarkeit, für Verständnis, für den weiblichen Körper.

»Den eigenen Körper, so viel hatte ich inzwischen verstanden, konnte man nicht überlisten. Früher oder später fand er heraus, ob man ihn wirklich respektierte oder bloß so tat.«




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Daten zum Buch
Titel: Junge Frau mit Katze
Autor*in: Daniela Dröscher
Sprache: Deutsch
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Hardcover | 320 Seiten | ISBN: 978-3-462-00761-9

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