Rezension zu »Das Geschenk« von Gaea Schoeters
Plötzlich tauchen Elefanten mitten in Berlin auf. Sie sind nicht aus dem Zoo entlaufen und es werden immer mehr. Aus der ersten Überraschung wird bald Überforderung und Fraglosigkeit. Bis der Präsident von Botswana verkündet, die Elefanten seien ein »Geschenk« – eine Reaktion auf das neue Elfenbeingesetz, ein westliches Konzept begründet in vermeintlicher moralischer Überlegenheit, das jedoch vollkommen ungeachtet der Lebensrealität Botswanas erlassen wurde und die dortige Bevölkerung vor enorme Herausforderungen und Einschnitte stellt. 20.000 Elefanten würden in der nächsten Zeit in Berlin und Umgebung auftauchen, ihnen im Weg zu stehen würde sie sich verdoppeln lassen. Der Bundeskanzler Hans Christian Winkler und seine bereits in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wankende Regierung stehen vor einer Herausforderung. Gelingt es ihnen, die Öffentlichkeit – trotz individueller Einschränkungen – von einer Co-Existenz von Mensch und Elefant zu überzeugen und den Frieden im Land zu wahren? Holger Fuchs und seine rechtspopulistische Partei wiederum sehen darin endlich ihre große Chance, ihren politischen Einfluss in Berlin zu vergrößern. Während sich die Elefanten ausbreiten, spitzt sich die politische Lage im Kanzleramt drastisch zu.
»Ihr Europäer wollt uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Vielleicht solltet ihr einfach mal selbst versuchen, mit Megafauna zurecht zu kommen.«
Mit »Trophäe« hat Gaea Schoeters einen Roman geschrieben, der sich in seiner Wucht und Dringlichkeit wohl unwiderruflich in mein Herz gebrannt hat. Und auch »Das Geschenk« ist – wenn auch von weniger monumentaler Durchschlagkraft – ein Buch mit starker Meinung, starker Message und sehr viel Anregung für eigene Gedanken. Für mich mehr eine Parabel in Form einer Novelle als Roman, steckt in diesen 140 Seiten jede Menge. Ein Buch voller gesellschaftlicher und politischer Brisanz, das uns mitnimmt hinter die Kulissen – dorthin, wo Politik gemacht wird. Ohne Umschweife führt uns Schoeters vor Augen, dass Politik in erster Linie von Menschen gemacht wird, durchdrungen von persönlichen Bestrebungen und Egomanie. Die Ebenen, die das Buch dabei eröffnet, sind vielschichtig: Unter dem offensichtlichen politischen Gerangel verbergen sich ein Abbild von vermeintlicher westlicher Überlegenheit gegenüber dem Kontinent Afrika, ein Beispiel für den menschlichen Umgang mit anderen Lebenswesen, ein eindringlicher Weckruf für den Klima- und Artenschutz, ein Sinnbild für Flüchtlingspolitik. Und vermutlich noch viel mehr. Wieder schreibt Schoeters genau, pointiert, bildstark und mit einem Feingefühl für Sprache. Wir lernen hier viel, wir hinterfragen hier viel, wir verzweifeln ob der Wirklichkeit der politischen Handlungsweisen, wir wägen ab zwischen Richtig und Falsch und den Grauzonen, in denen wir uns bewegen. Für meinen Geschmack hätte »Das Geschenk« ruhig noch ein paar Seiten mehr haben und noch tiefer in die Thematik eindringen können. Dennoch ist auch dies wieder ein Buch, das ganz klar etwas zu sagen hat und absolut lesenswert.
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