Rezension zu »Hustle« von Julia Bähr

Nachdem ihr letzter Job, nun ja, unschön zu Ende ging und sie sich für vier Monate in Südostasien versteckt hatte, bis hoffentlich Gras über die Sache gewachsen ist, ist die 30-jährige Leonie nun bereit für einen Neuanfang. Wochen, gefüllt mit Bewerbungsschreiben, liegen hinter ihr. Das Ergebnis: Kein gewachsenes Gras, dafür eine Absage nach der anderen und ein ehemaliger Chef mit weitreichenden Verbindungen, der sicher gestellt hat, dass die Pflanzengenetik-Branche für Leonie verbrannte Erde ist. Der einzige Job in Reichweite: das Archiv der Zoologischen Staatssammlung in München. Dort warten abertausende tote Insekten darauf, zugeordnet, katalogisiert und digitalisiert zu werden. Notgedrungen nimmt Leonie den Job an – und befindet sich bald in München, einer Stadt, in der ein normales Gehalt kaum zum Leben reicht. Soziale Kontakte scheinen als Zugezogene ebenso mau wie Perspektiven. Erst als Leonie herausfindet, dass der Besuch von Vernissagen zumindest gratis Häppchen und Sekt verspricht, scheinen die Dinge langsam aufwärts zu gehen. Auf einer Vernissage wird sie von einer Frau dabei ertappt, wie sie einen teuren Mantel stiehlt. Eine Kurzschlussreaktion, Leonie eben. Doch die Frau reagiert anders als erwartet. Statt Unmut zu äußern, beglückwünscht sie Leonie – und bietet ihr einen Job an. Über Geneviève lernt Leonie bald Yasmin und Kim kennen, die Leonie in ihre illustre Runde aufnehmen. Bald findet Leonie heraus, dass die drei Frauen ihren Lifestyle mit zweifelhaften Methoden finanzieren. Leonie wittert ihre Chance und beginnt schon bald damit, sich von Menschen mit gebrochenen Herzen dafür bezahlen zu lassen, sich auf kreative Art und Weise an ihren Herzensbrecher*innen zu rächen. Doch nach einer Weile wird aus dem Spiel Ernst. Wie viel ist Leonie ein Leben in Saus und Braus wirklich wert?

»Hustle« war mal wieder ein Fall von »Ich wollte es wirklich mögen, aber irgendwie ist der zündende Funker zwischen uns einfach nicht übergesprungen.« Was insofern seltsam ist, dass es doch eigentlich einige Parallelen gäbe zwischen Leonie und mir: Wir beide sind nach München gezogen, haben ein Gehalt, das sich nicht wirklich mit dem Leben in der Großstadt verträgt und kennen zu Beginn erstmal niemanden. Grundvoraussetzungen für erste Sympathien somit gegeben. Könnte mensch meinen und trotzdem blieb mir Leonie leider distanziert und irgendwie fremd. Im echten Leben würden wir zwei definitiv keine Freundinnen werden, denn Leonies Charakter und Verhalten war stellenweise für mich wirklich schwer nachzuvollziehen bis bisweilen wirklich anstrengend. Was vollkommen okay ist, aber irgendwie hat es mir dadurch den Zugang zum Buch wirklich sehr erschwert. Ich weiß nicht, vielleicht fiel einmal zu oft das Wort Schleimpilz, vielleicht wirkte die Geschichte auf mich einfach zu sehr erfunden, vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Denn der Grundgedanke des Romans – die Gesellschafts- und Sozialkritik, der Female Rage und das Zurechtfinden in einer neuen Stadt –, all das hat mir wirklich gut gefallen. Nur die Umsetzung entsprach einfach nicht dem, was ich erwartet und erhofft hatte. Das heißt nicht, dass »Hustle« nicht lesenswert ist, denn der Roman hat mich kurzweilig gut unterhalten und mir auch das ein oder andere mitgegeben, nur wirklich im Gedächtnis bleiben, das wird er mir leider nicht.




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Daten zum Buch
Titel: Hustle
Autor*in: Julia Bähr
Sprache: Deutsch
Verlag: Pola
Hardcover | 320 Seiten | ISBN: 978-3-7596-0028-8

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