Rezension zu »Liaisons« von Céline Robert
Lauren ist 41 und seit 15 Jahren mit Jean zusammen. Ihre Beziehung baut auf Wertschätzung auf – füreinander und den Intellekt des/der jeweils anderen. Doch die Routine hat sich in ihrer Ehe Platz gemacht. Seit drei Monaten hat Lauren eine Affäre. Mit Maxime, einem Arbeitskollegen. Maxime ist das Gegenteil von Jean – einfacher gestrickt, körperlich. Zum ersten Mal erfährt Lauren, wie es sich anfühlt, rein aufgrund ihres Körpers begehrt zu werden. Je länger die Affäre geht, desto mehr wagt sich Lauren aus ihrer Komfortzone und beginnt, ihre Begierden zu äußern. Ein befreiendes Gefühl, ein gutes Gefühl. Auch Maxime ist verheiratet, mit Nadia. Doch das hält ihn nicht davon ab, sich anderweitig zu vergnügen. Auch wenn sie nie darüber gesprochen haben, geht er davon aus, dass Nadia es hält wie er. Aus seiner Sicht sind die beiden ein Traumpaar – ambitioniert, erfolgreich. Nur dass Nadia in letzter Zeit vom gemeinsamen Ziel abweicht, das stört Maxime zunehmend. So wie ihn Lauren nicht mehr loslässt: verheiratet, über 40, gelangweilt vom Leben und in sexueller Hinsicht – ein leichter Spaß, dachte er. Doch Lauren überrascht ihn. Nicht nur, dass sie auf seiner Augenhöhe zu sein scheint, nein, sie hat die Zügel in der Hand. Und Maxime, der Frauen meist als Mittel zum Zweck gesehen hat, möchte plötzlich gefallen, ihren Erwartungen entsprechen. All seine Gedanken kreisen um Lauren. Nadia währenddessen steckt mit 34 Jahren in einem Burn-out. Immer hat sie funktioniert, beruflich wie privat. Eiserne Disziplin, Diäten, Sport, eine erfolgreiche Karriere, ein angesehener Job, ein Kind, kurz nach der Geburt zurück in Form. Bis eines unerwarteten Tages alles kollabiert ist. Zu viel Druck, zu lange. Seitdem lebt sie in den Tag hinein, versucht, ihren Weg zu finden. Stattdessen findet sie einen Gürtel, der nur zu einer weiblichen Taille passt, in ihrem Schlafzimmer. Sie konfrontiert Maxime nicht, ist nicht bereit für die grausame Wahrheit. Stattdessen legt sie sich den Gürtel um und geht mit Emma, ihrer 22-jährigen Babysitterin, feiern. Auf der Party, auf der sie bei Weitem die Älteste ist, betrinkt sie sich, tanzt, lässt sich von Emma mitziehen ins Loslassen. Verschwitzt, betrunken, mit dem Geschmack von Emmas Lippen auf ihren erlebt sie in einer einzigen Nacht das Gefühl von Freiheit. Emma wiederum lebt jeden Tag frei und nach Lust und Laune. Bedürfnisbefriedigung und Glück stehen für sie an erster Stelle. Sie mag ihr Studium und noch mehr mag sie in letzter Zeit ihren Professor Monsieur Carpenter. Bewusst sucht sie seine Nähe und Aufmerksamkeit, spürt seine Reaktion auf ihre nicht sehr dezenten Flirtversuche. Sie spielt mit dem Feuer, ja, denn er ist viel älter als sie und zudem verheiratet – aber genau das macht das Leben schließlich interessant. Jean wiederum fühlt sich zunehmend von Lauren vernachlässigt. Er spürt, dass sie sich vor ihm zurückzieht und das Leben zunehmend ohne ihn angeht. Wie schön ist es da, von seiner jungen Studentin Emma begehrt zu werden. Ein tolles Gefühl, das zunehmend auch auf Gegenseitigkeit beruht. Doch nachgeben würde er dem nie. Oder?
»Liaisons« hat unheimlich Spaß gemacht beim Lesen. Es ist ein frisches Buch, ehrlich, verlockend, leicht und voller erotischer Spannungen. Lauren, Maxime, Nadia, Emma und Jean – fünf Menschen, deren Leben und Begehren auf für sie verborgenen Wegen doch untrennbar miteinander verbunden sind. Ein Roman über Paarbeziehungen und heimliche Wünsche. Fantasien, Freiheit, Lust und Pflicht. Es ist kein Roman, der besonders tief geht und das muss er auch gar nicht. Denn er schafft es auf wenigen Seiten vor allem eins zu sein: nachvollziehbar. Es sind kleine, fast unauffällige, ja alltägliche Situationen, in denen wir uns alle auf die ein oder andere Weise wiederfinden können: ein kleiner Flirt gibt Selbstwertgefühl. Sexuelle Fantasien bringen frischen Wind in die eigene Gedankenwelt. Gesetzte Grenzen, die mit süßen, verheißungsvollen Versprechen zum Grenzübertritt verlocken. Langeweile, Alltag, Routine – und dann: ein begehrlicher Blick, eine zufällige Berührung, der Gedanke an ein Abenteuer. Und alles brennt plötzlich lichterloh im Inneren, was so lange höchstens schwelte. Und, wie so oft in letzter Zeit, die Frage, ob uns diese starren Beziehungsmuster, an denen wir gesellschaftlich festhalten, wirklich noch erfüllen oder nicht viel mehr einschränken. Emma wählt einen anderen Weg. Sie wählt Freude und Spaß und Lebendigkeit. Ihr geht es gut, während die beiden Ehepaare sich durch Fragen, Zweifel, Geheimnisse manövrieren. Ein kurzweiliger, verlockender Lesegenuss, ein Einblick in Paarbeziehungen, eine Kostprobe von Freiheit und Risiko.
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