Rezension zu »Der Rache Glanz« von Maud Ventura
Schon als Kind ist Cléo klar: Sie ist auf dieser Welt, um ein Star zu werden. Kein Sternchen, nein, Weltstar muss es mindestens sein. Das ist ihre Berufung und die schrecklich durchschnittlichen Verhältnisse, in denen sie in Paris aufwächst, nur ein Hindernis, das es zu überwinden gilt. Als Singer-Songwriterin soll ihre Bestimmung in Erfüllung gehen – die Stimme hat sie, doch dass sie daran scheitert, auch nur einen guten Song zu schreiben, ist nur eine weitere lästige Übergangsphase. So wächst Cléo auf, mit einem Ego, das ihrem Erfolg schon weit voraus ist. Denn der bleibt aus. Und trotzdem bleibt der Ruhm ihr einziges Ziel. Wichtiger als alles andere. Kaum volljährig, zieht sie nach New York. Auch dort bleiben die Songs aus, bleibt der Erfolg aus. Doch Cléo bleibt fokussiert, legt eiserne Disziplin an den Tag, geißelt und maßregelt sich selbst, kontrolliert ihren Körper mit Gewalt und Selbstverletzung für jede echte und eingebildete Niederlage. Sie ist nicht glücklich, aber Glück ist ihr egal. Nur der Ruhm ist das, was zählt. Als sich in ihrem Leben ein Schicksalsschlag ereignet, erlebt Cléo plötzlich etwas, das neu ist für sie. Eine echte Gefühlsregung. Und als sie diesem Gefühl nachgeht, hat sie ihn plötzlich: ihren Song. Was folgt, ist eine wilde Achterbahnfahrt: ein Plattendeal, Aufnahmen im Tonstudio, plötzlicher Welterfolg, Geld, Ruhm, eine Welttournee. Alles, von dem Cléo immer wusste, dass es ihr zusteht. Und doch fühlt sie kein Glück, fühlt sie meistens nicht und oft Erschöpfung und Einsamkeit. Denn: Sie hasst es, dieses Leben. Und berühmt zu werden stellt sich als einfacher heraus, als berühmt zu bleiben. Doch Cléo ist kein One-Hit-Wonder, Cléo ist der Mittelpunkt der Welt. Also zieht sie es durch, noch ein Album, noch eine Welttournee, noch mehr Selbstgeißelung und Unglück. Solange die Welt ihren Namen kennt. Auch wenn niemand wirklich weiß, wer die Person hinter der Marke ist. Immerhin hat Cléo alles, was sie immer wollte – doch zu welchem Preis?
Was war »Der Rache Glanz« doch für ein gutes Buch! Eine Antagonistin als Hauptfigur zu wählen (let's talk about main-character-syndrom here) ist ein riskanter Move, aber wie sehr zahlt er sich bitte aus?! Im Verlauf des Buches habe ich einen regelrechten Hass auf Cléo entwickelt, mich ständig gefragt, wie mensch nur so einen Charakter haben kann, ihr eigentlich nichts gegönnt – und war gleichzeitig so gefesselt von ihrer Geschichte, das ich wie eine Süchtige an den Buchseiten hing, um mehr und mehr zu erfahren und voller Erwartung auf das Ende hinzustreben, von dem wir, die wir Maud Venturas Schreibstil kennen, wissen, dass es grandios und schockierend sein wird. Gleichzeitig ist »Der Rache Glanz« eine Abrechnung mit dem Showbusiness, ein Einblick in eine Welt des Glitzers und Glamours, der Hass, Neid, Einsamkeit und persönliche wie berufliche Abgründe verbirgt und fördert. Weltruhm als 24-Stunden-Job, in dem dir jede Entscheidung abgenommen wird, du alles hast und doch nichts, wenn du nicht mal mehr entscheiden kannst, welche Kleidung du trägst, welche Lebensmittel du isst, wann du dich wo aufhältst, welche Variante von dir die Welt sehen darf. Es ist überzeichnet, ja, aber doch fragte ich mich beim Lesen unweigerlich, wie viel Wahrheit hinter diesen Zeilen steckt. Und so schlich sich manchmal auch ein klein wenig Mitleid für Cléo bei mir ein – bis sie sich eine Seite weiter wieder wie eine zum Leben erweckte Furie und ein menschgewordener Alptraum verhielt. Und doch war es spannend, war sie als Person so faszinierend wie abstoßend, war dieses Buch ein Rausch und ein Spiel mit den Lesenden.
She's the anti-hero you've been waiting for! Denn: Ihr werdet Cléo hassen – und ihr werdet es lieben!
..................................................................

Kommentare
Kommentar veröffentlichen