Rezension zu »Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen« von Kikuko Tsumura

Sie ist müde. Ausgelaugt. Desillusioniert. Ausgebrannt. Von der Arbeitswelt, vom Leben für die Arbeit, vom geringen Gehalt als Kompensation für all die vergeudete Lebenszeit. Sie, das ist unsere Protagonistin, die mit Anfang 30 und nach einem Burn-out die Nase gehörig voll hat vom Leben im Kapitalismus mit all seinen absurden Anforderungen. Doch auf lange Sicht ganz mit dem Arbeiten aufzuhören, das lässt das Leben in der japanischen Großstadt finanziell nicht zu. Der vermeintliche Ausweg: Ein Job, der nichts von ihr fordert. Bei dem sie möglichst wenig denken, tun, fühlen, möglichst wenig von sich selbst opfern muss. »Ich habe genau das Richtige für Sie«, sagt die Frau vom Arbeitsamt. So landet die Protagonistin in einem Job, in dem ihre einzige Aufgabe darin besteht, das Videomaterial zu sichten, das versteckte Kameras von Leben einer Autorin im Home-Office aufzeichnen. Auf der Suche nach einem Hinweis, der die Polizei bei ihren Ermittlungen weiterhelfen könnte. Doch auch dieser vermeintliche Job fordert einen zu hohen Preis – und so befindet sie sich bald wieder im Arbeitsamt auf der Suche nach einer Alternative, die die Anforderungen erfüllt. Und so arbeitet sie sich nach und nach durch die verschiedensten Jobs, die alle ihre Tücken zu haben scheinen – Buswerbung zu kreieren, die die beworbenen Geschäfte wie durch Geisterhand entstehen und verschwinden lassen kann, Snacktütentexte zu entwerfen, die komplizierter sind als gedacht, Plakate zu kleben und dabei auf eine mysteriöse Sekte in der Nachbarschaft zu stoßen und einen Landschaftspark zu betreuen, in dem ein Geist sein Unwesen zu treiben scheint. Ob es überhaupt einen Job gibt, der einfach nur das ist – ein Job und nichts weiter?

Eine Antwort auf diese Frage könnte der Buchtitel der englischen Übersetzung bereithalten: »There’s no such thing as an easy job«. Denn jeder Job hat seine Tücken. Kikuko Tsumura zeigt uns das am Beispiel ihrer Protagonistin anhand einer Prise magischen Realismus, der immer wieder näher an der Wirklichkeit zu sein scheint als gedacht. Zuerst habe ich ein bisschen mit dem Buch gehadert, musste meine Erwartungen herunterschrauben bzw. abändern. Erwartet hatte ich etwas in der Art von »Geht so«, also scharfzüngige, komisch-ernste Gesellschaftskritik. Doch »Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen« ist subtiler, anders, eigen. Mit einem speziellen Witz, der zwar nicht ganz meinen Geschmack getroffen, beim Lesen aber dennoch für einen gewissen Unterhaltungswert gesorgt hat. Und auch wenn der Roman nicht ganz mein Fall und mir stellenweise zu langatmig und zu nüchtern war, habe ich die Protagonistin dennoch gerne auf ihrem ganz persönlichen, manchmal wirklich seltsamen Weg zwischen (beruflicher) Selbstfindung und Abfinden begleitet. Ich glaube, mir war es am Ende etwas zu sehr des Abfindens, aber auch das ist eine Form der Kapitalismuskritik und somit auf ganz eigene Weise interessant. Denn: Passieren kann schließlich alles, immer und überall.




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Daten zum Buch
Titel: Lasst mich einfach hier sitzen und Yakisoba essen
Autor*in: Kikuko Tsumura
Sprache: Deutsch
Verlag: Eichborn
Paperback| 304 Seiten | ISBN: 978-3-8479-0224-9

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