Rezension zu »Before We Were Innocent« von Ella Berman
Drei junge Frauen und ein griechischer Sommer, aus dem nur zwei zurückkehren werden. Das ist die Geschichte von Bess, die mit Ende 20 ein abgeschiedenes, zurückgezogenes und einsames Leben voller ungenutztem Potenzial in der Wüste Kaliforniens verbringt. Eine Geschichte, die auch 10 Jahre nach den Ereignissen noch ihr Leben, Denken und Handeln dominiert. Kontakt zu Joni, die sich inzwischen in Los Angeles ein glamouröses Leben in der Öffentlichkeit aufgebaut hat, hat sie seit ihrer Rückkehr aus Griechenland keinen mehr. Während Joni explizit die Öffentlichkeit und Medien suchte, wollte Bess einfach nur verschwinden, denn die Berichterstattung damals war brutal und andauernd. Auch wenn beide damals, 2008, offiziell vom Verdacht freigesprochen wurden, am Tod von Evangeline schuldig gewesen zu sein – für die Medien und die Menschen hatte Schuld einen anderen Maßstab. Nun, 2018, steht Joni plötzlich vor Bess‘ Haustür. Jonis Verlobte sei nach einem Streit spurlos verschwunden, abgetaucht vermutet Joni. Und doch bittet Joni Bess um ein Alibi. Bess, zurückkatapultiert in die frühere Beziehungsdynamik zwischen ihr und Joni, sagt zu – ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Denn bald schon steht die Polizei vor ihrer Haustür und stellt Fragen. Erneut muss Bess lügen, wie damals vor 10 Jahren in Griechenland. Während Bess in der Gegenwart mit ihrer erneuten Nähe zu Joni kämpft, taucht sie zunehmend ab in die Vergangenheit. In die Anfänge ihrer Freundinnenschaft mit Joni und Evangeline und in den Sommer, der alles verändern sollte. Was ist damals wirklich passiert in diesem Sommer auf dieser kleinen verlassenen griechischen Insel in diesem kleinen, heruntergekommenen Anwesen von Evangelines Familie, der die Freundinnenschaft der drei jungen Frauen auf eine harte Probe stellen, toxische Beziehungsmuster zu Tage fördern und den Tod Evangelines zur Folge haben sollte?
Drei Freundinnen, die alles miteinander teilen und den letzten gemeinsamen Sommer miteinander unter der griechischen Sonne verbringen wollten, bevor das Leben und das College sie unweigerlich auseinanderreißen würden. Drei Freundinnen, deren Persönlichkeiten und Dynamiken so eng aufeinander gepfercht, ohne Distanz und Ausweichmöglichkeiten, miteinander kollidieren. Groll, der sich an die Oberfläche bahnt, kleine Streitereien, Eifersüchteleien, große Gefühle. Eine Freundinnenschaft wie ein Schwelbrand, eine Frage der Zeit bis zur Eskalation. Erzählte Lügen, auferlegte Schuld und tiefsitzende Ängste, die die Leben von Bess und Joni in den folgenden Jahren formen. Eine vorbelastete Beziehung, die erneut auf eine Probe gestellt wird. Vergangenheit und Gegenwart, die Höhen und Tiefen, die Sonnen- und Schattenseiten von Freundinnenschaft. In zwei Erzählsträngen und aus der Perspektive von Bess erzählt, bietet uns »Before We Were Innocent« einen facettenreichen Einblick in die Abgründe und Komplexitäten einer Beziehung von drei jungen Frauen. Der Sog, den der Roman dabei entwickelt, entfaltete sich für mich zunächst langsam, zog sich zum Ende hin jedoch unweigerlich zu. Ich bin eingetaucht in die Geheimnisse und Lügen, gespannt darauf, Vergangenheit wie Gegenwart zu entschlüsseln, auch wenn mir der letzte große Funke fehlte, um ganz hinabgerissen zu werden in die Dunkelheit. Manchmal reicht ein einziger Moment, so abwendbar wie auf perfide Art unausweichlich, der ein Leben von Grund auf und für immer verändern kann. Wie lebt es sich mit der Schuld? Der tatsächlichen wie emotionalen? Es war ein düsteres, mulmiges Lesevergnügen, a twisted piece of writing, in der Tonalität Bermans, die ich bereits in »Das Comeback« zu schätzen gelernt habe.
..................................................................
Kommentare
Kommentar veröffentlichen